Max Tegmark: Leben 3.0.

Max Tegmark gehört zu den prominentesten Zukunftsforschern, die sich mit der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigen. Leben 3. 0. ist ein faszinierendes, anregendes, manchmal aber auch unsinnig anmutendes Buch über die Konsequenzen dieser Forschung, ihre Gefahren, Hindernisse, Möglichkeiten.

Tegmark teilt das Leben in drei Stufen: Stufe eins stellt das (einfache) tierische Leben dar, man ist in der Lage, sich selbst zu reproduzieren, ist für alle Verbesserungen aber auf den kontingenten Verlauf der Evolution angewiesen. Stufe zwei repräsentieren wir Menschen: Durch unsere Kultur sind wir in der Lage, unsere Software weitgehend frei zu gestalten und sind von dem Zufallsmechanismus unabhängig. Leben 3.0. zeichnet sich dadurch aus, dass nun auch die Hardware gestaltet werden kann, wobei dieser Prozess sukzessive verläuft: Vom Herzschrittmacher zum Cyborg und den Menschen, die ihren Geist in eine Cloud hochladen. Von diesen Überlegungen ausgehend entwirft Tegmark ein abenteuerliches Panorama darüber, welche Formen dieses unser neues Leben annehmen könnte, wobei er immer wieder auf die Notwendigkeit einer Steuerung der KI hinweist (er ist zwar weniger skeptisch als etwa Nick Bostrom, sieht aber doch auch zahlreiche Gefahren, die mit der Entwicklung von KI verbunden sind, wozu etwa die Entwicklung von entsprechenden Waffensystemen gehört).

Diese Zukunftsszenarien changieren zwischen faszinierend und – vorsichtig ausgedrückt – seltsam: Wenn etwa Tegmark über die Möglichkeiten von Riesencomputern (in der Größe von Galaxien räsoniert, deren Problem die Grenze der Lichtgeschwindigkeit darstellt, wodurch sie in sehr langen Zeiträumen nur sehr wenige Gedanken entwickeln können – die aber haben es in sich, er über die Ausdehnung der menschlichen Zivilisation sich auslässt und der Problematik, dass durch die dunkle Energie dieser Ausdehnung Beschränkungen auferlegt werden (das alles ist der SF sehr viel näher als einigermaßen fundierten Überlegungen), oder auch, wenn er die Zukunftsaussichten der jungen Generation analysiert und diesen von manchen Berufen abrät) – wenn Tegmark also Überlegungen anstellt, die jedem phantasiereichen SF-Autor zur Ehre gereichen würden, dann ist das eher amüsant als informativ. Und trotzdem hat man immer das Gefühl (wie eben bei einem guten SF-Autor), dass hinter all diesen Abgehobenheiten Potential steckt, dass es sich um tatsächlich in der Zukunft auf uns zukommende Probleme handelt, die einer praktischen wie auch philosophischen Erörterung bedürfen.

Eines der brisantesten Probleme ist das der Superintelligenz: In welcher Weise könnte diese kontrollierbar sein, soll man sich überhaupt auf dieses Wagnis einlassen (ober aber stellt sich diese Frage gar nicht, weil sie entstehen wird, wenn sie denn möglich ist), werden wir dann in einem hedonistischen Menschenzoo enden (in dem wir glücklich auf immer und ewig dahinleben) oder aber überflüssig werden (die KI entledigt sich der Menschen, weil man seiner einfach nicht mehr bedarf und die KI völlig andere, uns unverständliche Ziele verfolgt). Tegmark hält es im übrigen auch für wahrscheinlich, dass wir die einzig intelligente Lebensform sein könnten (wogegen sich in mir sehr vieles sträubt, das klingt doch wieder mal verdächtig nach Anthropozentrismus und erscheint angesichts der Zahl möglicher Planeten, die Leben tragen können, etwas selbstgefällig), weshalb er sich ausführlich in Kosmoseroberungsszenarien ergeht (die dann – weil nur Information übermittel wird – mit Lichtgeschwindigkeit vor sich gehen könnte). Diesbezüglich reicht meine Phantasie offenbar nicht an jene Tegmarks heran, denn die Verbreitung der durch Menschen erzeugten KI erscheint mir eher mit archaischen Eroberungsszenarien verknüpft. In diesem Zusammenhang kommt es zu einer Wiedergeburt der Teleologie: Tegmark definiert das Ziel der Thermodynamik in der Dissipation, wodurch die Entropie erhöht wird. Diese Dissipation wird dann zu einer Art kosmischen Lebenssinn, die Evolution hingegen lässt ob der Endlichkeit der Ressourcen und Möglichkeiten das Hauptziel der Fortpflanzung teilweise außer acht und entwickelt Teilziele, durch die wir geleitet werden: Hunger, Durst, Empathie, Lust etc. Wieder stellt sich die Frage, wie man eine KI zur Übereinstimmung mit diesen äußerst menschlichen Zielen bringen soll (kann).

Das letzte Kapitel ist dann dem Bewusstsein gewidmet bzw. der Frage, inwieweit eine KI ein solches Bewusstsein besitzt (Bewusstsein setzt Tegmark gleich mit „subjektivem Erleben“). Daraus ergeben sich drei Probleme: Das „ziemlich schwierige“ Problem, welche physikalischen Systeme bewusst sind, das „noch schwierigere Problem“, Qualia vorhersagen zu können und das „wirklich schwierige Problem“, warum überhaupt irgendetwas bewusst ist (dieses „wirklich schwierige Problem“ lädt natürlich zu ausführlichen philosophischen Betrachtungen ein – auch des Lesers). Tegmark gelangt dabei u. a. zur Hypothese, dass sich Bewusstsein deshalb immateriell anfühlt, weil es das ist, „wie sich Information anfühlt“ (das hat durchaus etwas). Das würde natürlich bedeuten, dass Bewusstsein substratunabhängig ist, denn Information kann durch bloße Materieanordnung generiert werden. Da wir einer KI höchstwahrscheinlich haushoch unterlegen sein werden, wird aus dem Homo sapiens wohl ein Homo sentiens werden (müssen). Usf. – Viele dieser Ideen sind ungeheuer anregend und zeugen von beachtlicher Kreativität, dass man über manch abstruse Gedankengänge leicht hinwegsehen kann. Für mich bei aller möglichen Kritik ein faszinierendes Buch.


Max Tegmark: Leben 3.0. Berlin: Ullstein 2017 (ebook)

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