Jonathan Safran Foer: Wir sind das Klima!

Die Anzahl der Bücher zur Klimakrise wächst und immer wieder hört man von besonders beeindruckenden, aufrüttelnden Büchern, die dann aber doch nicht viel mehr tun als bereits bekannte Positionen zu wiederholen. So ist es auch mit dem vorliegenden Buch, ein bemühter, engagierter Ansatz, aber kaum etwas Neues (wobei: So viel Neues gibt es schlicht in diesem Bereich nicht).

Zwei Dinge sind dem Autor ein besonderes Anliegen: Den Einfluss unserer Essgewohnheiten auf die Klimaerwärmung herauszustellen und die Schwierigkeiten zu beschreiben, die der einzelne in seinem Versuch um eine nach Möglichkeit „klimaneutrale“ Ernährung zu gewärtigen hat. Dabei geht Foer von der (trivialen) Erkenntnis aus, dass das rationale Verstehen eines Sachverhaltes keineswegs ausreicht, um die entsprechenden Handlungen zu setzen (eine Erkenntnis, die sich seit David Hume bis zu den Werbestrategen des 21. Jahrhunderts herumgesprochen hat). Dazu kommt noch die zeitliche Verzögerung der Kausalbeziehung: Die Schäden werden irgendwann in mehr-weniger ferner Zukunft eintreten, wodurch der Ursache-Wirkung-Prozess für den einzelnen eine rein theoretische Beziehung bleibt. Deshalb gibt es auch Kettenraucher, übermäßigen Alkoholkonsum und Übergewicht: Die Auswirkungen von Zigarette, Bier und Hamburger sind zwar erwiesenermaßen negativ, überschreiten aber den emotionalen Zeithorizont des Homo sapiens.

Aus diesem Grund werden wahrscheinlich die Aufforderungen des Autors, wenigstens bis zur Abendmahlzeit auf Fleisch zu verzichten, ins Leere gehen. Ich selbst würde einen anderen Ansatz bevorzugen: Dass nämlich die vermeintlichen Genüsse schon in einem sehr viel kürzeren Zeitrahmen negative Folgen zeitigen (die Probleme, die eine solche Ernährung, ein solches Leben nach sich ziehen, zeigen sich zumeist schon in der folgenden Nacht, dem folgenden Tag in einem wenig erquicklichen Zustand, während Bewegung und gesunde Ernährung ebenfalls recht schnell zu einer Verbesserung des Gesamtzustandes führen). In noch stärkerem Ausmaß scheint mir aber ein konsumorientiertes Leben an sich unbefriedigend zu sein: Während ein gutes Essen, ein neuer Artikel bestenfalls kurze Zeit zu erfreuen imstande sind, steht es mit Erkenntnissen, mit dem Verstehen von Zusammenhängen anders, sie können auf längere Sicht eine Form von Befriedigung erzeugen, wie sie aus rein materiellen Dingen nicht zu gewinnen sind. Erst aus dieser Befriedigung heraus kann auch eine Veränderung erwachsen, ein ständiges Ankämpfen gegen die eigene Überzeugung scheint wenig erfolgversprechend. Deshalb klingen Foers Aufforderungen trotz all seines Engagements für mich ein wenig zweifelhaft, wenn er etwa seine Gier nach Burger eingesteht und seine Ernährungsumstellung einzig auf die rationale Notwendigkeit abzielt, dadurch etwas gegen die Klimaerwärmung zu tun (wer nun meint, dass dies im Vergleich zu Flugreisen, Autoverkehr und Industrie ohnehin ein zu vernachlässigender Punkt ist, irrt: Auch wenn die Zahlen – wie immer in solchen Fällen – stark schwanken, so ist man sich doch weitgehend darin einig, dass durch den weitgehenden Verzicht auf Fleischkonsum der CO2-Ausstoß um rund ein Drittel reduziert werden könnte – und gleichzeitig auch das noch sehr viel umweltschädlichere und in Massen ausgefurzte Methan).

Foers historische Beispiele für Nichthandeln angesichts des kaum Glaubhaften (er erzählt die bekannte Geschichte, in der ein jüdischer Rechtsanwalt in den USA die Geschichte von der industriellen Ermordung der Juden zwar begriff, aber nicht wirklich glauben konnte ob ihrer Ungeheuerlichkeit und deshalb unfähig war, entsprechend zu handeln: In seinem Fall zumindest die Aufmerksamkeit der Regierung darauf zu lenken) sind gut gewählt, sind einleuchtend, werden aber – so meine Befürchtung – nichts beitragen zu einem anderen, verantwortungsvollen Verhalten. Nur die Einsicht für das Problem zu erwecken ist offenkundig zu wenig, alles scheint darauf hinaus zu laufen, dass der Einzelne, um wirklich zu handeln, all diese Ungeheuerlichkeiten am eigenen Leib (und dem seiner Nächsten) wird erfahren müssen.


Jonathan Safran Foer: Wir sind das Klima! Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2019.

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