Niall Ferguson: Der Aufstieg des Geldes

Dem Autor gelingt mit diesem Buch eine gut lesbare, spannende Darstellung eines eigentlich sperrigen Themas, nämlich der Wirtschaftsgeschichte. Dabei verdienen zwei Aspekte besondere Beachtung: Die historische Aufarbeitung der Entstehung des Geldes als auch der durch den Erscheinungszeitpunkt des englischen Originals (Mai 2008) brisante Ausblick, bei dem sich Ferguson in weiser Voraussicht von den zu Derivaten verpanschten us-amerikanischen Hauskrediten beunruhigt zeigt: Wobei erste Anzeichen für den einige Monate später einsetzenden Absturz schon 2007 zu erkennen waren.

In den ersten Kapiteln beschreibt der Autor auf sehr eingängige Weise die Entstehung von Währungen und deren unschätzbare Vorteile, wobei mit jedem weiteren Schritt (Papiergeld, Handel mit Wechseln, erste Ausgabe von Anleihen) auch die Risiken für den Besitzer des Geldes zunahmen. Für die wirtschaftliche Entwicklung hingegen sind die oftmals gescholtenen Banken von unschätzbaren Wert: Nach Etablierung einer gewissen Sicherheit im Bankenbereich wird dadurch die Menge des verfügbaren Kapitals vervielfacht, wodurch das Unternehmertum ungeheuer angekurbelt wird (dass es diesen direkten Bezug von Finanz- und Realwirtschaft heute so nicht mehr gibt – oder nur noch ansatzweise – ist eine andere Geschichte). Aber Wirtschaftsaufschwung ist ohne das Bankenwesen (und das Geld) nirgendwo auf der Welt denkbar. Ferguson garniert diese seine historische Schilderung mit zahlreichen Anekdoten (bzw. mit der Richtungstellung von tradierten Geschichtchen: So etwa der Mär, dass Nathan Rothschild sein Vermögen durch frühe Kenntnis von Napoleons Niederlage bei Waterloo erlangt hätte), die die ansonsten doch trocken anmutende Darstellung zu einem Lesevergnügen werden lassen.

In weiterer Folge wird die Entstehung der modernen (war mein nun ausgebesserter Tippfehler „modernden“ ein Freudscher Lapsus?), globalisierten Finanzwirtschaft beschrieben. Auch hier wird auf gut nachvollziehbare Weise die Einführung neuer Finanzprodukte dargestellt (die schon erwähnten Derivate, die sich anfangs auf Terminverkäufe von Waren (Ernten) bezogen, alsbald aber auch zum „Zocken“ verwendet wurden oder auf anders gelagerte Bereiche, wie etwa der Versicherung oder Risikominimierung, angewendet wurden) nebst den zahlreichen Versuchen, eine sichere, Gewinn garantierende Methode auf dem Kapitalmarkt zu finden (die letzte derartige Unternehmung endete wie alle anderen in einem Desaster: Das Black-Scholes-Modell der Bewertung von Optionen basierte auf einer mathematischen Berechnung, die neben den zu erwartenden Gewinnen durch Diversifizierung Totalverluste verunmöglichen sollte, wobei sich wieder einmal herausstellte, dass sich Wahrscheinlichkeiten nur schwer auf das irrationale Verhalten von Menschen anwenden lassen). Nichts ist unsicherer als Wirtschaftsprognosen: Man kann zwar mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen, dass der nächste Crash bestimmt kommt – aber leider nicht den Zeitpunkt.

Im Nachwort listet Ferguson einige jener Fallen auf, die sich bei all diesen Geschäften auftun: Verfübarkeitsfehler (man entscheidet sich aufgrund leicht zugänglicher Daten), Induktionsfehler (mit dem Induktionsproblem müssen sich gerade die prognostischen Wirtschaftswissenschaften noch intensiver beschäftigen als die Naturwissenschaften), Fehler aufgrund mangelnder Kenntnis von Wahrscheinlichkeiten (bzw. der zugrunde liegenden mathematischen Theorie), die Verzerrung einer Einschätzung durch vorgefasste Werturteile u. v. m. Zuvor wird noch Keynes zitiert, der bezüglich des „ungewissen Wissens“ in prognostischer Hinsicht äußerte, dass sich damit „nicht bloß das mit Sicherheit Bekannte von dem nur Wahrscheinlichen unterscheidet. Das Roulettespiel ist in dieser Hinsicht kein Gegenstand der Ungewissheit … Die Lebenserwartung ist nur leicht ungewiss. Sogar das Wetter ist nur mäßig ungewiss. Der Sinn, in dem ich den Begriff benutze ist der, in dem die Aussicht auf einen europäischen Krieg ungewiss ist … oder der Zinssatz in zwanzig Jahren … Für diese Dinge gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, auf der man eine berechenbare Wahrscheinlichkeit bilden könnte. Wir wissen es einfach nicht!“ Und damit hat er Recht, diese Form des „ungewissen Wissens“ wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft eine unüberschreitbare Grenze bilden. – Ein angenehm lesbares und oft auch amüsantes Buch (was bei diesem Thema keine Selbstverständlichkeit ist).


Niall Ferguson: Der Aufstieg des Geldes. Berlin: Ullstein 2009.

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