E. T. A. Hoffmann: Die Elexiere des Teufels

Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Cover um eine Fotografie eines Halblederbandes. Links finden wir in braun, mit der für Leder typischen Narben-Struktur, einen Streifen. Der Rest ist auf rotem Hintergrund, der einen Leineneinband darstellen soll. Links ist in Pseudo-Goldprägung noch etwas jugendstilartiges Blattwerk zu finden; ein bisschen rechts von der Mitte, zwischen zwei goldenen Rahmen, der ebenfalls goldene Schriftzug "E • T • A HOFFMANN". Was erlesen wirkt, ist in Wirklichkeit einfacher Farbdruck auf Glanzpapier. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

The Monk von Gregory Lewis war zweifellos eine der Inspirationen Hoffmanns für diesen Roman. Immerhin wird Lewis’ Roman sogar im Text selber erwähnt, wo er in einer Szene auf einem Tisch herumliegt – sehr zum Entsetzen der Heroine, die darin ihr Schicksal bzw. das ihres Geliebten präfiguriert sieht. Mit diesem metatextlichen Witz bricht Hoffmann jeden Plagiatsvorwurf. Neben „Monk“ Lewis dürfte aber auch mit The Castle of Otranto von Horace Walpole ein weiterer Schauerroman für Die Elexiere des Teufels Pate gestanden haben, mit dessen seit Urzeiten auf den männlichen Gliedern einer Familie lastenden Fluch.

Es gilt aber festzuhalten, dass E. T. A. Hoffmann besser ist als beide zusammen. Seine Story ist besser aufgebaut, sein Einsatz von Rückschauen in Gesprächen oder schriftlichen Mitteilungen bedeutend sinnvoller. In Lewis Monk erzählt ein Protagonist seinen Freunden (und der Leserschaft) des Langen und des Breiten, wie er schon früher einmal versucht hat, seine Geliebte aus der Klosterhaft zu befreien – da wir als Leser aber bereits wissen, dass er immer noch in dieser Mission unterwegs ist, wissen wir natürlich auch, dass der jetzt als Einschub erfolgende Rückgriff in die Vergangenheit nur mit einem Scheitern der Befreiung geendet haben kann. Da wir aber darin sonst nichts für den Fortgang der Geschichte Relevantes erfahren, langweilen solche Exkurse einfach nur. Hoffmann dagegen enthüllt bei jedem Rückgriff neue Informationen über die Herkunft des Mönchs Medardus und die Sünden seiner Vorfahren. (Medardus ist die Hauptfigur des Romans) Wir erfahren aber nie so viel aufs Mal, dass wir zu früh schon alles wüssten. Erst ganz zum Schluss fällt für Medardus wie für sein Publikum der letzte Puzzle-Stein an seinen Ort. Andererseits ist auch der Fluch besser motiviert: Der Ururahne des Medardus war ein Adliger, der auf seine Privilegien verzichtete, um Künstler (Maler) zu werden. Meisterschüler des Leonardo, packte ihn die Überheblichkeit und er wollte seinen Meister übertreffen. Er began. an der Stelle von christlich-frommen Motiven heidnische Götter und Göttinnen zu malen – natürlich nackt. Den Höhepunkt erreichte seine Blasphemie, als er für ein Kloster ein Bild der heiligen Rosalia malen sollte, aber eine nackte Venus malt. Er verfällt dem Teufel und mit ihm seine gesamte männliche Nachkommenschaft. Auch Medardus, der sein Ururenkel ist, hat mit dem Bösen zu kämpfen. Das ist der Fluch und damit der Plot des Romans.

In diesem Roman setzt E. T. A. Hoffmann auch in ganz großem Stil das Motiv des Doppelgängers ein. Der Halbbruder des Medardus (Sohn desselben, natülich ebenfalls mit dem Erbfluch belasteten Vaters, aber einer anderen Mutter) sieht aus wie er und taucht immer wieder dort auf, wo er ist. Das Ganze ist so geschickt erzählt, dass man die meisten dieser Szenen auch lesen kann als eine Schilderung einer dissoziativen Identitätsstörung (vulgo: Schizophrenie). Nimmt man die Elexiere des Teufels hinzu (ein Trank, mit dem nach gewissen Legenden der Teufel den heiligen Antonius zur Sünde zu verführen suchte, und den er nun immer wieder dem alten Maler und seinen Nachkommen in die Hände spielt), der ein Getränk ist, das für andere einfach einen alten ausgezeichneten Wein darstellt, für Medardus aber Feuer in seinen Adern ist, ein Feuer, das in ihm erotisch-sexuelle Phantasien erzeugt und ihn zu Taten und Plänen aufstachelt, die ihm im nüchternen Zustand fremd sind, so haben wir das Bild eines labilen, physisch wie psychisch anfälligen Menschen vor uns, der uns seine Lebensgeschichte in der Ich-Form erzählt. (Was, nebenbei gesagt, natürlich bedeutet, dass wir als LeserIn keine Möglichkeit einer objektiven Prüfung des Geschehenen haben.) Für diesen ungefestigten Menschen, wird sich der Leser, die Leserin, zum Schluss des Romans sagen müssten, wäre es tatsächlich besser gewesen, er hätte sein Leben in der geschützten Atmosphäre des Klosters verbracht. Hier haben auch seine Oberen gesündigt, die ihn immer wieder nach draußen sendeten, sei es als Prediger, sei es als Botschafter seines Klosters.

Noch eines: Der Roman katholisiert ungeheuer. So sehr, dass ich den Verdacht nicht loswerde, Hoffmann mache sich über den Leser und über einige seiner Schriftstellerkollegen lustig, die dem Katholizismus im Ernst anheim fielen. Zwar ist es offenbar tatsächlich so, dass er bei einem Besuch des Bamberger Kapuzinerklosters vom dortigen Leben der Brüder im Speziellen und der Atmosphäre im Allgemeinen sehr beeindruckt worden ist. (Medardus’ „Heimkloster“ liegt denn tatsächlich in B.!) Aber eine Schauergeschichte mit uralten Flüchen kann wohl nur in der bilderreichen katholischen Umwelt angesiedelt werden; im nüchternen Protestantismus – auch wenn Luther an eine persönliche Existenz des Teufels glaubte – wäre so etwas zu Beginn des 19. Jahrhunderts eher unwahrscheinlich gewesen und hätte aufs Publikum unfreiwillig komisch gewirkt. So aber konnte auch der (zugegeben zu jener Zeit stark katholisierende) Protestant Beneke kurz nach dem Erscheinen des Romans 1816 Die Elexiere des Teufels mit Genuss lesen – ich vermute allerdings, dass er die Ironie des Autors überlesen und die religiöse Erlösung des Mönchs Medardus ernst genommen hat.

Fazit: Auch wenn man 200 Jahre später wohl nicht mehr von Schauern gepackt wird bei der Lektüre dieses Romans, weil man ihn eher als Schilderung einer Persönlichkeitsstörung liest, denn als Schilderung übernatürlicher, ja teuflischer, Eingriffe in unsere Welt, so ist er auch als solche Schilderung nach wie vor lesenswert.

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