Wilhelm Hauff: Phantasien im Bremer Ratskeller. Ein Herbstgeschenk für Freunde des Weines.

Nun ist es zwar nicht Herbst, aber als kleiner Happen zwischendurch lässt sich dieser kurze Text Wilhelm Hauffs auch im Frühling genießen. Und Freunde des Weines sind wir doch allesamt, die wir romantische Literatur lesen. Denn nirgends wird Drogenmissbrauch so reizend geschildert, wie in der Romantik – der deutschen vor allem.

Bei einigen Autoren und Autorinnen, nicht nur in der Romantik, war ja ein mehr als nur mäßiger Wein- oder generell Alkoholkonsum eher die Regel als die Ausnahme; aber in keiner anderen Epoche und zu keiner anderen Zeit liegen Verherrlichung des Weingenusses und dessen Dämonisierung so nahe bei einander wie bei den Autoren der deutschen Romantik. Das gilt auch für diese rund 50 Seiten.

Die Erzählung hat keinen eigentlichen Plot. Verschiedene Geschichten werden begonnen, manche auch nicht zu Ende erzählt. Den Rahmen bildet eine seltsame Caprice des Ich-Erzählers, der zufälligerweise „Hauff“ heißt und zufälligerweise Schriftsteller ist, der zufälligerweise aus Schwaben kommt und zufälligerweise noch einen Bruder hat (in vielem also dem Verfasser der Geschichte verblüffend ähnelt): Der lässt sich nämlich eines Abends im Bremer Ratskeller mit Erlaubnis des Senats einschließen. Der Bremer Ratskeller war zu Hauffs Zeit und ist heute noch ein für seinen hochwertigen Wein bekanntes Gasthaus. Nicht nur der Ich-Erzähler, sondern auch die übrigen Protagonisten der Erzählung existierten und existieren bis heute in jenem Ratskeller: die 12 Apostel (nämlich 12 große, mit den Namen der biblischen Apostel versehene Weinfässer) ebenso wie das Rosefass (ein Weinfass von 1653, das bis heute einen der ältesten noch in einem Fass gelagerten Wein der Welt beinhaltet) oder die Bacchus-Figur auf dem Bacchus-Fass im ebenso genannten Keller.

Sie alle erwachen in dieser Nacht, die der Ich-Erzähler alleine im Keller verbringt, bei ein paar Flaschen von jenen alten Weinen, zum Leben. Nachdem der Erzähler zunächst, bei Weinen aus der Gegend seiner Kindheit und in immer weinseliger werdenden Laune seine Kindheit und Jugend im Schwabenlande vor seinen Augen Revue passieren lässt, erlebt er es schließlich, dass das Schloss, mit dem ihn der Ratsdiener eingeschlossen hatte, mitsamt der Tür aufgebrochen wird und eben diese Fässer personifiziert bei ihm eintreten.

Man sitzt zusammen, pokuliert, erzählt sich die eine oder andere Geschichte und irgendwann – purzelt der Ich-Erzähler von seinem Stuhl, schlägt den Kopf auf dem harten Steinboden an und erwacht.

Hauff hat Besseres geschrieben, aber dieses kleine Capriccio umfasst so ziemlich alles von dem, was die Romantik berühmt gemacht hat: Wein, Weib und Gesang – aber auch Ironie und Satire, wenn auch nur milde. Dazu ein leichtes Schauern, das einen durchrinnen mag. Zu lesen in einer lauen Frühlingsnacht bei einem (einem!) guten Glas Rotwein.

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