August Klingemann: Faust

Er habe, sagt Klingemann selber in seiner Vorerinnerung (also dem Vorwort), einen ächt dramatischen Faust [Hervorhebung von Klingemann] für die Bühne schreiben wollen, weil seit Lessing der Faust-Stoff zu sehr ins Philosophische gezogen worden sei, und Goethes Faust zwar herrlich, aber nur in Momenten dramatisch sei. Es sei nämlich so, dass

die mystischen Beziehungen bei den spätern Bearbeitern sich bis zum Allegorischen aufgelös’t haben, und das geheimnißvolle Grauen, das durch die alte Legende waltet, gänzlich verschwunden ist.

Das tönt anmassender, als es im damaligen Kontext gewirkt haben muss, war doch Klingemann 1815, als sein Faust erschien, ein in Deutschland weit herum bekannter und anerkannter Theatermann. (Er sollte ja dann später, 1829, trotz dieser Aussage hier, als erster Goethes Faust unter seiner Regie zur Aufführung bringen, mit seiner Frau in der Rolle der Marthe.)

Allerdings ist es eines, ein guter Intendant und Regisseur zu sein, ein anderes, gute Stücke zu schreiben. In seinem Stück verlässt sich Klingemann zu oft und zu sehr auf die Theatermaschinerie, die dem Zuschauer durch Blitz und Donner und anderes Feuerwerk Angst und Schrecken einjagen sollte. Der Abfall seines Faust vom Guten ist schlecht motiviert, obwohl er aus früheren Versionen des Stoffs den Gedanken mitgenommen hat, dass Faust der Erfinder des Buchdrucks sei, seine Erfindung aber keinen Anklang bei der Mitwelt gefunden habe. Denn Klingemanns Faust ist schon vor seinem Scheitern als Erfinder und Buchdrucker von der Negromantik und den so genannten Teufelszwängen fasziniert. Im Übrigen tritt er mal großsprecherisch auf, mal kleinlaut. Der Teufel seinerseits versteckt sich bis fast zum Schluss in der Rolle eines Menschen, der ebenfalls den Teufel beschworen und mit ihm einen Pakt geschlossen habe. Fausts Weib, Käthe, und Diether, sein Vater, sind nicht viel mehr als fromme Betschwestern bzw. -brüder; selbst Helene, die hier einfach eine schöne Fremde ist, scheint fromm zu sein, obwohl sie nach Aussage des Teufels nicht einer christlichen Religion angehört.

1808 erschien Zacharias Werners Melodram Der vierundzwanzigste Februar. Das Melodram war eine Zeitlang sehr beliebt im deutschen Sprachraum, und ich fürchte, dass auch noch sieben Jahre später allzu viel davon auf Klingemanns Faust abgefärbt hat, der tatsächlich mehr Schicksalsdrama ist als Schilderung eines Menschen, der – aus welchen Motiven auch immer – überirdische Mächte herausfordert und dabei grandios scheitert. Selbst der Teufel darf bei Klingemann ja nicht wirklich Teufel sein.

Als Ergänzung zu anderen „Fäusten“ interessant, ansonsten …


Gelesen in folgender Ausgabe:

August Klingemann: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig, Altenburg: F. A. Brockhaus, 1815 – bzw. dem Neusatz davon bei Holzinger.

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