Ljudmila Ulitzkaja: Ergebenst, euer Schurik

Die Autorin wurde immer wieder mal für den Nobelpreis gehandelt, trat (und tritt) in ihrer Heimat Russland gegen das System Putin auf (und hat sich beim Einmarsch in die Ukraine klar gegen den Krieg ausgesprochen), könnte also schon aus politischen Gründen für den ehrenden Ritterschlag des schwedischen Nobelpreiskomittees in Frage kommen. Mir war Ulitzkaja – ihr Werk betreffend – bislang völlig unbekannt: Aber russisch-jüdische Erzähltradition klang einigermaßen verheißungsvoll.

Das vorliegende Buch war nun auch in Einleitung und Vorwort mit mehr-weniger prominenten Empfehlungen versehen, da wurde der Witz gelobt, der Einfallsreichtum, die implizite Gesellschaftskritik (der Roman spielt weitgehend in der Sowjetunion Leonid Breschnews, das sich weniger durch exzessive Verfolgungsmaßnahmen denn durch dumpfe Unterdrückung auszeichnete, eine Unterdrückung, die die Kreativität der so gegängelten Bevölkerung nicht unerheblich förderte, um ein einigermaßen gedeihliches (Über-)Leben im Staat zu gewährleisten). Wie der geneigte Leser schon ahnen dürfte: Ich habe von all dem wenig bis gar nichts gefunden in diesem Roman und wer sich von derlei unterhalten fühlt, dürfte wohl auch beim Anblick einer Raufasertapete in Lachen ausbrechen.

Schurik ist die Hauptperson, erzogen von seiner Großmutter, nach deren Tod (an dem er sich irgendwie schuldig fühlt, da er zur Zeit ihres Krankenhausaufenthaltes gerade seine ersten, intensiven Liebeserfahrungen macht), von seiner – weniger tüchtigen und lebenspraktischen – Mutter, wobei sich im Laufe der Zeit das Verhältnis umkehrt und er immer mehr für die Belange der etwas weltfremden Dame zu sorgen gezwungen ist. Schurik handelt fast nie aus eigenem Antrieb: Er hilft auf Anfrage, steht Freunden, Kommilitonen in Notlagen bei und (dies ist das Hauptsujet des Buches) erbarmt sich der ihn umschwärmenden Weiblichkeit. Der hübsche Jüngling wird von allen umgarnt, älteren Frauen ebenso wie Studienkolleginnen, enttäuschten Ehefrauen und verklemmten Jungfern.

Die Autorin verzichtet glücklicherweise auf detaillierte Schilderungen dieses Treibens (derlei pflegt die Langeweile in der Regel nur zu steigern); insgesamt sind diese fortgesetzten amoureusen Abenteuer aber so vorhersehbar wie ermüdend, sie sind genau das nicht, was da in den einleitenden Empfehlungen angekündigt wurde: Witzig, geistreich oder originell, sondern bloß repetitiv und von beachtlicher Einfallslosigkeit.

Und so bleibt man frustriert und missmutig zurück nach diesen knapp 500 Seiten: Warum sollte man dergleichen lesen, was will uns die Autorin erzählen? Dass es antriebslose, nette und langweilige Männer gibt, die aus Mitleid mit jeder Frau schlafen, die sich ihnen anbietet? Dass es Frauen gibt, die auf der Suche nach Sex oder einem Partner solche Männer einzufangen versuchen? Um diese etwas trivialen Tatsachen les- und genießbar zu machen wäre schlicht das erforderlich gewesen, was zuvor angekündigt wurde: Witz, prägnante Sprache, Originalität. Man mag mich humorlos schelten: Aber ich glaube nicht, dass ich während der Lektüre auch nur ein einziges Mal gelächelt, mich irgendwie amüsiert gefühlt habe. Alles ohne jede Überraschung, irgendwie platt und getragen von stupender Langeweile.

Ich fürchte, dass die anderen, noch ungelesenen Bücher der Autorin ein wenig werden warten müssen nach dieser etwas zweifelhaften Lektüre – und was Ulitzkaja (neben ihrer mutigen politischen Haltung) für einen Literaturpreis welcher Art auch immer empfehlen würde, hat sich mir auch nicht erschlossen. Da ich Rezensionen von von mir noch nicht besprochenen Büchern meide, werde ich mich jetzt auf die Suche machen: Vielleicht sind mir ja ganz entscheidende Ebenen oder Qualitäten des Romans entgangen. Auch wenn ich diesbezüglich eher skeptisch bin.


Ljudmila Ulitzkaja: Ergebenst, euer Schurik. München, Wien: Carl Hanser 2005.

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