Hans Hahn: Empirismus Logik Mathematik.

Hahns Bedeutung für den Wiener Kreis kann kaum überschätzt werden. So hat Philipp Frank in seinem Nachruf betont, dass Hahn eine Art informeller Mittelpunkt des intellektuellen Zirkels gewesen sei – sowohl den „ersten“ als auch den „zweiten“ Wiener Kreis betreffend (er war entscheidend an der Berufung von Moritz Schlick auf den Lehrstuhl von Ernst Mach, Ludwig Boltzmann für „Philosophie der induktiven Wissenschaften“ beteiligt). Ebenso ist die programmatische Schrift „Wissenschaftliche Weltauffassung – Der Wiener Kreis“ in wesentlichen Teilen von Hans Hahn geprägt (gemeinsam verfasst von Otto Neurath und Rudolf Carnap). Er gehörte zum politisch linken Flügel des Kreises, engagierte sich in der Volksbildung als unentgeltlicher Vortragender und wurde wohl durch seinen frühen Tod 1934 von der Verfolgung durch den Austrofaschismus (der schon vor dem Nationalsozialismus den Niedergang der österreichischen Philosophie einleitete) bewahrt.

Im vorliegenden Band sind – mit einer Ausnahme – seine eher der Philosophie zuzurechnenden Beiträge versammelt (die Ausnahme betrifft eine Besprechung von Alfred Pringsheims „Zahlen- und Funktionslehre“, in der aber wie auch in allen anderen Beiträgen das Verhältnis von Mathematik und Logik zur empirischen Wissenschaft gestreift wird). Und um genau das ist Hans Hahn zu tun: Was kann „reine Mathematik“, „reine Logik“ leisten und vermag sie jene Gewissheit zu vermitteln, jene absolute Wahrheit, die das Ziel der allermeisten philosophischen Überlegungen darstellen? Die Antwort ist ebenso einfach wie trivial: Weder Logik noch Mathematik sind dazu in der Lage, der Wahrheitsgehalt ist immer von den Prämissen, Axiomen abhängig, diese selbst aber entziehen sich einer Verifikation. Das Verhältnis von Empirie und Mathematik wird also in ähnlicher Weise interpretiert wie bei Albert Einstein: „Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.“ Nur dass die Unsicherheit der Logik- und Mathematikkalküle in diese Unsicherheit miteinbezogen wurden.

Hahn war denn auch derjenige, der im Wiener Kreis die Principia Mathematica von Russel/Whitehead vorstellte und analysierte: Jahre bevor Kurt Gödel die Idee eines solchen grundlegenden Kalküls endgültig widerlegte. Doch auch ohne Gödels Arbeiten hätte sich am grundsätzlich tautologischen Charakter von Logik und Mathematik nichts geändert; sie treffen keine Aussagen über die Dinge in der Welt, über die Wirklichkeit, sondern sind ein Regelwerk, um über diese Dinge in verbindlicher Weise zu sprechen. Das impliziert eine Ablehnung der platonischen Ideenlehre und er folgt hierin Rudolf Carnap und dessen Ablehnung all jener „Scheinprobleme“, die in der idealistischen Philosophie seit 2400 Jahren ihr Unwesen treiben. So sind auch all jene Fragen, die etwa in der Mathematik nach der Wesenheit ihrer Begriffe fragen (oder wie Brouwer von der „Ur-Intention“ eine Konstruktion neuer Entitäten erwarten) nicht beantwortbar, es sind falsch gestellte Fragen, die durch die hypostasierenden Eigenschaften der Sprache auf unfruchtbare Abwege führen.

Hahn war kein Philosoph und sah seine Aufsätze wohl vielmehr als eine Form der Popularisierung der Ideen des Wiener Kreises denn als eigenständige Arbeiten. Dadurch ist der teilweise repetitive Charakter dieses Buches zu erklären, der für mich als Leser aber keineswegs störend war. Etwas anderes hingegen fällt bei den Suhrkamp-Wissenschafts-Taschenbücher immer wieder negativ auf (nicht nur bei den Schriften zum Wiener Kreis): Wenn es sich um einzelne Aufsätze von Autoren handelt, gibt es weder Personen- noch Sachregister und man muss sich mit Post-Its und Zettelchen behelfen, um bestimmte Stellen nach der Lektüre wieder ausfindig zu machen. Das ist ein wenig mühsam und ärgerlich für eine Serie, die das Wort „Wissenschaft“ im Titel führt.


Hans Hahn: Empirismus Logik Mathematik.

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