Stéphane Mallarmé: Poésies et autres textes

Wer sich mit der Lyrik des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt, kommt um Stéphane Mallermé nicht herum. Zusammen mit Baudelaire (der eine Generation älter war), Verlaine und Rimbaud gehört er zu jenen, die der etwas verstaubten Lyrik des 19. Jahrhunderts neues Leben einhauchten. Und das gilt nicht nur für die französische Lyrik – auch ein Rilke oder ein George haben von den vier Franzosen, und vor allem von Mallarmé gelernt.

Ähnlich wie Rimbaud hat sich dabei Mallarmé zunächst am Romantiker Hugo orientiert, bevor dann (wieder wie bei Rimbaud) Baudelaire (vor allem mit seinem Les fleurs du mal natürlich) diese Rolle übernahm. Während aber Mallarmé den zwölf Jahre jüngeren Rimbaud durchaus zur Kenntnis nahm, hat der Jüngere den Älteren komplett ignoriert – ungeachtet der Tatsache, dass mit Verlaine ein gemeinsamer Bekannter existierte.

Mallarmé ist in seiner Lyrik, ähnlich wie Baudelaire und später Rimbaud, sehr konservativ, was die Form betrifft. Das Sonett als Gedichtform, der Alexandriner als Versmaß blieben lange Zeit seine favorisierten Formen. Der Alexandriner, zwölf- oder dreizehnsilbig und sechshebig, wurde vor allem im Drama des französischen Klassizismus (Racine, Corneille, teilweise auch Molière) verwendet, aber auch Voltaire in seinen heute vergessenen Dramen griff auf den Alexandriner zurück. Im Deutschen klingt er umständlich und schwerfällig, weshalb er seit der barocken Lyrik kaum mehr verwendet wird. (Was, nebenbei, zu einem Problem beim Übersetzen von Corneille und Racine wird. Ob man nun in Prosa, in ein anderes Versmaß oder tatsächlich in Alexandriner übersetzt: Im Deutschen klingt lächerlich, was durch den majestätischen und doch hurtigen französischen Alexandriner, der zu einer Gegenüberstellung von Gegensätzen im selben Vers geradezu animiert, mit rhetorischer Brillanz bis heute wirkt.)

Erst spät wird Mallarmé, um auf ihn zurück zu kommen, so genannte „Prosaverse“ schreiben. Viele davon sind dann im Grunde genommen kleine theoretische Essays, die sich nur durch perlenden Fluss der Sprache von eigentlicher Prosa unterscheiden.

Was Mallarmé, den Theoretiker, interessiert und fasziniert, ist vor allem die Sprache. Selber Lehrer für Englisch an verschiedenen „Lycées“ (Gymnasien) in Frankreich, war ihm die Sprachwissenschaft nicht fremd und vor allem die Art und Weise, wie Wörter mit Bedeutung befüllt werden, faszinierte ihn. Den Lyriker führte diese Faszination zum Versuch, möglichst viel in ein Wort, in einen Satz, zu stecken – was ihn wiederum zu einem der hermetischsten Dichter der französischen Sprache macht.

Dabei vertritt er durchaus das Primat der Sprache. In einem Aufsatz mit dem Titel La musique et les lettres (Die Musik und die Literatur) wehrt er sich vehement dagegen, die Art von Gesamtkunstwerk, die Wagner gerade in Musik und Literatur eingeführt hatte, und die vom Publikum bejubelt wurde, über ein wohl komponiertes Gedicht zu stellen.

Und dann ist da noch mein Liebling, L’après-midi d’un faune (Mallarmé schreibt antikisierend vn favne, der Monolog eines Fauns, der, verliebt in zwei Nymphen, erfahren muss, dass diese seine Liebe einseitig ist, und der schließlich resigniert die beiden gehen lässt, um sich mit Wein und Worten zu trösten:

De paroles vacante et ce corps alourdi Tard succombent au fier silence de midi : Sans plus il faut dormir en l’oubli du blasphème, Sur le sable altéré gisant et comme j’aime Ouvrir ma bouche à l’astre efficace des vins ! Couple, adieu ; je vais voir l’ombre que tu devins.


Stéphane Mallarmé: Poèsies et autres textes. Édition établie, présentée et annotée par Jean-Luc Steinmetz. Paris: Le livre de poche classique, 102021.

[In der Art und Weise des Kommentars und durch den Umstand, dass bei den Gedichten, die Mallarmé mehrfach veröffentlicht hat, die Änderungen chronologisch festgehalten wurden, schon beinahe eine kritische Ausgabe zu nennen. Jedenfalls wünschen wir uns für unsere deutschen Lyriker ebensolche gut gemachte und zu passablem Preis erhältliche Ausgaben.]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert