Olga Ravn: Die Angestellten

Farbige Rauchschlieren auf schwarzem Hintergrund. Ausschnitt aus dem Buchcover.

Bei Olga Ravn handelt es sich um eine junge dänische Autorin (Jahrgang 1986), die in ihrer Heimat nicht unbekannt ist. Allerdings kennt man sie dort vor allem als Lyrikerin. In der letzten Zeit hat sie aber auch angefangen, Romane zu schreiben. Ihren, wenn ich mich nicht täusche: neuesten, haben wir hier vor uns. Der Titel, und insbesondere der Untertitel Ein Roman über Arbeit im 22. Jahrhundert) suggeriert eine Art kommunistisches Manifest, aber das trügt.

Tatsächlich ist es sogar recht schwierig, die Handlung – oder sagen wir besser: den Inhalt – des Romans wiederzugeben. Wir finden uns unvermittelt mit einer Reihe von Verhörprotokollen konfrontiert, die allerdings als Zeugenaussagen deklariert werden. Diese Zeugenaussagen sind nummeriert, allerdings hält sich der Verlauf der Geschichte nicht daran, die Aussagen genau in der Reihenfolge ihrer Nummerierung zu präsentieren.

Was wir so nach und nach erfahren, ist, dass wir uns in einem Raumschiff befinden, einem Sechstausenderschiff. Dieser Begriff wird aber nie erklärt. Zu was genau das Raumschiff bzw. seine Reise gut sein soll, erfahren wir ebenfalls nicht. An Bord arbeitet eine unbekannte Anzahl Leute, die Hälfte davon Menschen, die anderen so genannte Humanoiden – künstliche Intelligenzen in einem dem menschlichen Körper täuschend ähnlich nachgemachten Behälter. Die Zeugenaussagen stammen von den Mitgliedern der Besatzung – Menschen wie Humanoiden.

Auf einem Planeten namens Neuentdeckung wurden nämlich seltsame Objekte gefunden und zum Teil ins Schiff gebracht. Diese Objekte mit ihren seltsamen Formen gemahnen an gewisse heutige Kunstobjekte bzw. -installationen. (Die Autorin dankt auf dem Schmutzblatt einer dänischen Künstlerin für die Anregungen, die ihr deren Installationen vermittelt haben.) Diese Objekte haben seltsame Auswirkungen auf die Psyche von Menschen wie Humanoiden; viele empfinden eine Art Liebe für diese Objekte oder auf Grund von deren Anwesenheit.

Um diese Auswirkungen zu untersuchen, wird eine Untersuchungskommission an Bord des Raumschiffs gebracht. Doch die Sache gleitet der Kommission aus der Hand. Während zu Beginn der Reise Menschen und Humanoiden noch problemlos zusammen arbeiteten, ja zusammen am gleichen Tisch aßen, beginnt sich eine Spaltung zu bilden. Der genaue Ausgang des Romans soll hier nicht verraten werden, nur so viel, dass die Humanoiden, also die KI an Bord, sich je länger desto mehr nach einem ‚menschlichen‘ Leben sehnen. Glaube ich jedenfalls verstanden zu haben.

Vieles bleibt, wie schon festgestellt, unklar, weil ungesagt. Die Autorin greift in den einzelnen, immer kurz gehaltenen Zeugenaussagen auf ihre große lyrische Erfahrung zurück und lässt uns oft Bilder sehen (bzw. lässt ihre Zeugen diese Bilder sehen und der Kommission schildern), die eine unbestimmte Sehnsucht ausdrücken. Da es nicht klar ist, ob gerade ein Mensch oder ein Humanoide aussagt, vermischen sich den Lesenden die beiden Begriffe – und das ist wohl auch die wichtigste Aussage der Autorin:

Mensch und (menschenähnliche) Maschine sind derselben Arbeit ausgesetzt, werden nach den gleichen Kriterien beurteilt und behandelt. Weder der eine noch die andere können aber solche Arbeitsverhältnisse auf Dauer aushalten. Der Schluss scheint anzudeuten, dass eine Hoffnung auf Änderung, auf Verbesserung, besteht – aber so ganz sicher können wir nicht sein.

Science Fiction einer ein bisschen anderen Sorte, in ihrer Art durchaus faszinierend und unterhaltsam.


Olga Ravn: Die Angestellten. Ein Roman über Arbeit im 22. Jahrhundert. Aus dem Dänischen von Alexander Sitzmann. Berlin: März Verlag, 2022.

1 Reply to “Olga Ravn: Die Angestellten”

  1. Also, auch abgesehen davon, dass ich in meinem Leserleben um SF generell einen weiten Bogen mache, braucht man speziell so was? Noch dazu in augenstrapazierend lesender Weise? Wo doch bei TELE 5 jeden Tag eine Folge von Star Trek — das nächste Jahrhundert läuft, zwar nur mit einem Androiden, aber das genügt doch eigentlich. In einer Folge kam ein böser Ingenieur an, der Data zerlegen wollte. Deshalb kam es zu einer Gerichtsverhandlung, zum Schluss durfte er komplett bleiben, weil er romantische Gefühle für eine Dame zu Protokoll gegeben hatte. Dabei, obwohl meine Beschäftigung mit Captain Kirk und Spock spätestens 1975 endete, musste ich mich an Captain Picard und seine Crew erst gewöhnen. Dass er, wie ich, gerne Earl Grey Tee trinkt, half. Aber das Holodeck mit Hologrammen, die sich dann verselbständigen wollen, finde ich immer noch albern. Allerdings ließe sich das neue Konzertkonzept von ABBA noch vervollkommnen, wenn nämlich auch die Zuschauer Hologramme wären.

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