Umwelt – und die Machtlosigkeit der Vernunft: Gedanken zu Schäfers „Bacon-Projekt“

Eines der ersten Bücher, das sich im deutschen Sprachraum auf philosophischer Ebene mit der Problematik der Naturnutzung auseinandergesetzt hat. Schäfer entwirft ein Konzept, das sich gegen einen Physiozentrismus wendet, eine Art Hypostasierung der Natur, der für die Natur an sich bereits Rechte einfordert (eine Position, die Hans Jonas in seinem „Prinzip Verantwortung“ vertreten hat, ein Buch, an dem viele der Erläuterungen Schäfers anknüpfen). Der Autor betont, dass jegliche Verantwortung für das Tun immer nur eine spezifisch menschliche sein kann, dass am anthropozentrischen Weltbild in Hinsicht auf eine Bewertung von Umweltfolgen nicht gerüttelt werden kann, dass man aber diesen Anthropozentrismus keinesfalls mit Egoismus gleichsetzen darf. In diesem Zusammenhang werden auch alle Lösungsansätze esoterischer Provenienz in die Schranken verwiesen: Man kann nur rational-technisch der Probleme Herr werden, die immer wieder protegierte Haltung, dass man stärker das Gefühl, das Irrationale in seine Entscheidungen einbinden soll, scheitert an der Problemlage. (Hier liegt Schäfer m. E. völlig richtig: Denn wie sollten „gefühlsmäßige“ Entscheidungen angesichts des steigenden CO2-Anstiegs oder in Bezug auf Fukushima aussehen? Alle Lösungsversuche können hier nur auf rationaler Ebene getroffen werden, sie können auch nur dann erfolgreich sein, wenn man die technischen Möglichkeiten unserer Zivilisation in vollem Umfang für eine solche Lösung einsetzt.)

Hier setzt auch Schäfers Verteidigung für den Baconschen Ansatz ein: Bacon unterstellte der Natur eine Art Unerschöpflichkeit – und er wollte diese Natur im Hinblick auf das Wohl der Menschen sehr viel besser nutzen als bislang. Das revolutionäre Konzept war jenes des Experimentierens: Erkenntnisgewinn durch ein bewusstes rational gesteuertes Verfahren, um der Natur ihre Geheimnisse zu entlocken und diese nomologisch zu ordnen. Aber alles immer unter dem Primat des Einsatzes für den Menschen, für eine Verbesserung seiner Lebensumstände. (Bacon waren in Ansätzen auch die Gefahren einer solchen Forschung bewusst, weshalb er in seinem utopischen Entwurf es für richtig ansah, nicht alle Erkenntnisse allen Menschen zugängig zu machen.) Während sich die (gedachte) Unerschöpflichkeit der Natur als Schimäre herausstellte, wurde das naturwissenschaftliche Konzept weitgehend – und mit großem Erfolg – verwirklicht.

Diese Verwirklichung hatte nun – neben sozialen Problemen – auch eine Krise der Natur zur Folge (wobei Naturkrise immer nur zu verstehen ist als eine Menschenkrise): Der ökologischen Probleme sind unzählige – und sie sind großteils Zeichen dafür, dass wir für die Nutzung hochtechnisierter Anwendungen uns noch immer auf eine evolutionäre Ausstattung zurückverwiesen sehen, die verzögerte Ursache-Wirkung-Implikationen oder geometrische Progressionen zu erfassen nicht in der Lage ist. In diesem Zusammenhang plädiert Schäfer für einen alternativen Naturzugang: Weg von einem kosmologischen (worunter Schäfer ein Erkennen, das auf rein nomologische Zusammenhänge gerichtet ist, versteht) hin zu einer physiologischen Naturbetrachtung, das den Menschen unter metabolischen Aspekt betracht in seinem ständigen Austausch mit der ihn umgebenden Natur. Alle Technologien, Nutzungen etc. sollten daraufhin geprüft werden, inwieweit sie die Wechselwirkung mit den uns umgebenden Resourcen negativ beeinflussen und dann sollte entsprechend gehandelt werden. Der Mensch sich begreifend als ein Teil der Natur, der aber dennoch in dieser Natur der normgebende Faktor bleibt. Denn Natur als solche ist moralisch-ethisch völlig wertfrei: Die Natur besitzt keine Rücksichtnahme auf ihre Geschöpfe, sondern diese richten sich – mehr-weniger gut – auf die entsprechenden Umweltbedingungen ein. Aber die Natur selbst vernichtet Lebewesen und Lebensräume, unzähliges Leben ist bereits im Laufe der Jahrmillionen zugrunde gegangen. Nur die Autonomie, die menschliche Freiheit ermöglicht Moralität, nur sie kann diese Verantwortung übernehmen.

Interessant sind auch die historischen Konzepte, die Schäfer allesamt als unangebracht verwirft: insbesondere setzt er sich mit der aristotelischen Naturbetrachtung auseinander. Aristoteles Naturbetrachtung inklusive ihrer teleologischen Ausrichtung ist letztendlich ein Entwurf, der zur Passivität verurteilt: Denn die Entelechie als ein sich verwirklichendes Prinzip kann ohnehin nur verzögert, nie aufgehalten werden. So bleibt nur die sich von Kant herleitende, anthropozentrische Denkweise eines Subjekts, das nach Kant für seine moralische „Vervollkommnung“ die Verantwortung trägt. Wobei wir dieser Verantwortung nur durch Rationalität wirklich Genüge tun können.

All diesen Erörterungen kann durchaus zugestimmt werden: Schäfer vermittelt seine Position klug und anschaulich, versieht sie mit einer Reihe von beeindruckenden Argumenten, sodass man unumwunden feststellen kann, dass hier ein sehr kluger Autor sich an einem schwierigen Thema versucht hat. Allerdings scheint mir das Buch ein grundsätzliches, kaum gestreiftes Manko zu besitzen: Es geht um die praktische Umsetzung all dieser Überlegungen.

Den Anthropozentrismus in der Naturbetrachtung dem Physiozentrismus eines Hans Jonas vorzuziehen scheint überaus vernünftig; auch das Konzept der physiologischen (statt bloß kosmologisch-nomologischen) Naturbetrachtung mit seiner den Metabolismus berücksichtigenden Struktur ist als geeignet anzusehen. Allerdings glaube ich, dass es mittlerweile weitgehend Konsens darüber gibt, wie denn vernünftig mit der Natur (im Sinne eines menschlichen Über- und Weiterlebens) umgegangen werden sollte. (Wie es überhaupt einen recht großen Konsens in vielen Fragen geben dürfte: Was Menschenrechte, Kriege, Grundversorgung etc. betrifft.) Das Entscheidene sind also weniger die philosophischen Fundierungen, als vielmehr die rein pragmatischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von als vernünftig angesehenen Maßnahmen. Und hier werden wir alsbald von Eitelkeit, Egoismus, Zukunftsblindheit, Nationalismus und dgl. mehr auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Möglicherweise ist es unsere evolutionär-genetische Programmierung, die uns für Lösungen unfähig sein lässt (etwa bei der um Jahre verzögerten Ursache-Wirkung-Konstellation): Tatsache scheint, dass die Bereitschaft von Menschen, Gruppen, Gemeinschaften, Völkern, die längst als notwendig und vernünftig angeshenen Maßnahmen durchzuführen, gegen Null geht. Profit soll durch Benefit ersetzt werden, schreibt Schäfer im letzten Absatz: Dazu würde fast jeder ja sagen. Außer wenn es ihn selbst oder seine Gruppe betrifft.

Das Problem wird im übrigen von Jonas kurz gestreift: Er ist der Meinung, dass autoritäre Staaten die besseren Möglichkeiten hätten, solche Maßnahmen zu verwirklichen. Allerdings widerspricht das Verhalten der vergangenen und derzeitigen Diktaturen dieser Hoffnung entschieden: Die Sowjetunion oder China sind wahrlich keine Musterbeispiele für ökologisches Wirtschaften. Die unzähligen Interessen, die in einer Demokratie aufeinandertreffen, scheinen aber für unpopuläre Maßnahmen ebensowenig einen guten Boden zu bereiten. (Ein schönes Beispiel sind die Bundestagswahlen in Deutschland: Wer die Wahl unbedingt verlieren will, muss nur für ein Autobahntempolimit von 120 kmh eintreten. Obschon jeder weiß, dass dies ökologisch, auch sozial (aufgrund von Verkehrstoten) äußerst vernünftig wäre, wäre ein solcher Vorschlag für jede wahlwerbende Gruppierung der sicherste Weg zur Kleinstpartei.) Insofern wird also auch in diesem Buch die entscheidende Frage nach der Realisierung von als vernünftig anerkannten Maßnahmen nicht gestellt. Aufgrund welcher philosophischen Position man Umweltverschmutzungen, Resourcenverbrauch, Konsumwahnsinn ablehnt, ist eigentlich sekundär: Tatsache ist, dass der einzelne (ob Diktator oder Wähler) in überwiegendem Maße gegen seine eigene Vernunft votiert.

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