Hermann Burger: Ein Mann aus Wörtern / Als Autor auf der Stör

‚Tutti Frutti‘ nennt man hierzulande eine Mischung aus verschiedenen Dörrfrüchten und eventuell noch verschiedenen Nüssen, verpackt in handliche Plastik-Tütchen. Eine beliebte Zwischenverpflegung und Stärkung auf Wanderungen und Schulreisen.

‚Tutti Frutti‘ möchte ich auch den vorliegenden 7. Band der Burger-Werkausgabe nennen. Die Herausgeber der Werkausgabe sind unschuldig; Hermann Burger hat die Texte selber so zusammengestellt und 1983 (Ein Mann aus Wörtern) bzw. 1987 (Als Autor auf der Stör) veröffentlicht. In einer ersten versuchsweisen Sortiertung, die er dann selber verworfen (d.i.: nicht angewandt) hat, spricht Burger davon, dass hier Literarische Texte, Reportagen, Poetologische Texte, Literaturwissenschaftliche Texte sowie Aufsätze und Kritiken versammelt sind. Das trifft es so ziemlich genau. Die Herausgeber der Werk-Ausgabe haben dann nur Doppelspurigkeiten vermieden, indem sie Texte, die bereits in andern Sammlungen erschienen sind (und deshalb bereits in andern Bänden der Werk-Ausgabe anzutreffen), aus den beiden ‚Tutti Frutti‘-Tüten herausgenommen haben.

Da sind – einmal mehr – Berichte Burgers über seine Bob-Fahrten in St. Moritz, aber auch über den Spengler-Cup in Davos, vor allem letzterer eine rein journalistische Arbeit. Ausschnitte aus Burgers Habilitationsschrift sind Beispiele für literaturwissenschaftliche Arbeiten, die in die beiden Sammelbände eingeflossen sind. Auch ein kurzer Text zur Frage, ob ein Literaturwissenschafter auch Literatur schreiben könne (Schreiben Sie, trotz Germanistik? – eine Frage, die sich Burger zum Überdruss anhören musste), gehört dazu. Im Allgemeinen aber überwiegen literarische Themen, Auseinandersetzungen mit andern Autoren.

Die besprochenen Autoren sind meistens Burgers Landsleute, ein paar Österreicher und wenige Deutsche. Die Provinz lässt auch den Theoretiker Burger nicht los. Bei den Schweizern fällt auf, dass zwar Max Frisch (mit dem er ja das Architektur-Studium teilte – Architektur ist auch immer wieder ein Leitfaden von Burgers Kritiken, insbesondere bei seiner Auseinandersetzung mit Frisch) – dass also zwar Max Frisch ein paar Mal besprochen wird, der für Schweizer normalerweise unvermeidliche Zwillingsbruder Dürrenmatt aber fehlt. Die meisten der besprochenen Autoren sind von derselben literarischen Generation wie Burger selber, oder eine Generation älter. Ein paar sind jünger, ein paar stammen aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Weiter zurück liegt eigentlich nur Mörike. Burger hat auch begriffen, dass das Aufmerksamkeits-Potential beim Leser höher ist, wenn man zwar einen bekannten Autor (Frisch), aber statt eines bekanntes Werks dieses Autors (Stiller) ein unbekannteres (J’adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen) vorstellt, bzw. das unbekannte dem bekannten gegenüber stellt und das unbekannte dann vorzieht.

Des weiteren werden besprochen:

  • Robert Walsers Jakob von Gunten
  • Ingeborg Bachmanns Gesamtwerk (d.i. jene 4-bändige Werkausgabe, die auch in meiner Bibliothek steht)
  • Gert Jonkes Der Ferne Klang
  • Peter Weiss als Maler (das Problem der Doppel-Begabung, das ja auch Burger von sich selber kannte!)
  • Thomas Bernhard (gleich mehrmals)
  • Franz Kafka (ebenfalls mehrmals)
  • Paul Haller (der Mundart-Lyriker, der – einige Jahre vor Burger – ebenfalls auf dem Küttiger Kirchberg gelebt hatte, und Burger zusammen mit Mörike als Folie für seine Kirchberger Idyllen gedient hatte)
  • E. Y. Meyer
  • Peter Bichsel
  • Otto F. Walter
  • Hermann Hesse (mehrmals und positiv – vor allem sein Frühwerk bis und mit Der Steppenwolf)
  • Alfred Döblin oder eigentlich eher Fassbinders Verfilmung von Berlin Alexanderplatz
  • Gertrud Leutenegger (Burger findet sehr viele positive Worte zu ihrem Erstling Vorabend – den ich schon damals einfach nur peinlich fand. Beide waren Suhrkamp-Autoren – honi soit qui mal y pense.)
  • Reto Hänny (das einzige Mal, dass Burger ein Drama bespricht – allerdings ist die Kritik nichtssagend.)

Auseinandersetzungen mit dem Kanton Aargau und ein Portrait jenes Profi-Zauberers, der Burger die Hohe Schule der Zauberkunst gelehrt hat, runden die Sammlungen ab.

Ob freilich Burgers Texte auch eine Zwischenverpflegung auf der Wanderung durch die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts darstellen können, sei dahingestellt.

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