Johann Dvorak: Edgar Zilsel und die Einheit der Erkenntnis

Wie schon anderweitig erwähnt gibt es zu Leben und Werk Edgar Zilsels nur sehr wenig Literatur. Johann Dvorak hat den Versuch einer Art Monographie unternommen, einiges aus dem Leben Zilsels recherchiert und sich an einer Interpretation seiner Werke versucht. Erschienen ist das Buch als Band 6 der Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften.

Von biographischen (leider nur spärlich vorhandenen) Daten einmal abgesehen ist das Buch eine handfeste Katastrophe. Es liest sich wie eine schlechte, ins Kraut geschossene Seminararbeit, besteht in den allermeisten Abschnitten aus rund 80 % Zitaten (damit nicht genug: Nachdem der Autor oft über mehr als eine Seite nichts als Zitate bringt, schließt er häufig noch eine Fußnote an – um dort das Ganze weiterzuführen: „Zilsel fährt fort …“ und noch ein halbe Seite unkommentiertes Zitat folgt), wobei es nicht nur Zilselzitate sind, sondern jeder Autor, der irgendwie in diesem Buch erwähnt wird, über solche Zitate präsentiert wird: Kant’s Kritik der reinen Vernunft, Marx, John St. Mill u. v. m. erscheinen weitgehend unkommentiert mit ihren Werken. Ein Beispiel für viele andere mag genügen: Dvorak schreibt auf S. 116 ff, dass er am Beispiel zweier Gelehrter (Comenius und Bacon) die soziale Dynamik der frühneuzeitlichen Wissenschaft und ihre uneingelöste Probleme umrissen werden sollen. Dann folgt auf nicht einmal einer (1!) Seite die Darstellung von Bacons Wissenschaftsprogramm (davon 80 % Originalzitate), nach – gerade habe ich nachgezählt – 28 Zeilen wird zu Comenius übergeleitet, dem dann immerhin eineinhalb Seiten (Zitate) eingeräumt werden. Was man auf diese Weise von den „uneingelösten Problemen“ der frühneuzeitlichen Wissenschaft erfährt geht gegen Null.

Aber Dvorak gelingt es noch nicht einmal, die Ansichten Zilsels darzustellen, ohne die fortwährenden Originalzitate wäre das Buch kaum dicker ausgefallen als die Gebrauchsanleitung für eine elektrische Zahnbürste. (Und da ich die meisten Werke Zilsels kenne konnte ich selbst für jene wenigen Zeilen, die nicht als Zitate ausgewiesen waren, feststellen, dass es sich um – oft wörtliche – Übernahmen aus dem Originaltext handelte: Das wäre ein Fressen für die rezenten Plagiatsjäger, da dürfte Herr von und zu Guttenberg noch als Ausbund an Kreativität und Originalität erscheinen.) Einzig die relativ unbekannten Zitate aus Zilsels Aufsätzen entschädigen manchmal – und sie weisen auf die Notwendigkeit hin, dessen verstreute Artikel und Schriften endlich in einem Sammelwerk zu publizieren: Sie hätten es sich durchaus verdient. Die mangelnde Popularität Zilsels lassen ein solches Projekt leider wenig wahrscheinlich erscheinen: Und verdienen ließe sich mit einem solchen Band schon gar nichts. Zumindest hätte sich Zilsel aber eine klügere und tiefgehendere Auseinandersetzung mit seinem Werk verdient als in diesem Elaborat vorgenommen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert