Ferdinand Beneke: Die Tagebücher. III/5: Beilagen 1814

III/5 fängt an mit Benekes Kassenbuch, das er vom 1. Juni 1814 bis zum 24. Februar 1816 führt, und in dem er fein säuberlich alle Einnahmen und Ausgaben seines Haushaltes notiert. Damit ist zugleich eines der Leitmotive des Jahres 1814 in Benekes Leben gegeben: Geld (bzw. eben dessen Mangel).

Es mangelt Beneke einerseits privat daran, was immer mal wieder in den Briefen von seiner Frau oder Benekes Briefen an sie angesprochen wird. Die Schulden seiner Klienten aus der Zeit, wo er in Hamburg eine Anwaltspraxis betrieb, werden nur zögerlich beglichen. Die meisten Ex-Klienten haben selber auch kein Geld (mehr), aber einige leugnen ganz einfach auch, dass Schulden aus der Zeit des französischen Regimes nach der Befreiung noch bezahlt werden müssten. Andererseits mangelt es auch seiner Hanseatischen Bürgergarde an Geld, und zum grossen Leidwesen der kommandierenden Offiziere ist es nicht einmal möglich, alle einheitlich zu uniformieren. Die Städte, von denen man einen Unterhaltsbeitrag erhofft, reagieren verhalten. Einzig Lübeck zahlt freiwillig sogar mehr als seinen Anteil. Hamburg wird bis Mitte 1814 schon von den Franzosen ausgeblutet. Bremen windet sich, und das später noch angegangene Kiel versagt geradeheraus jede finanzielle Hilfe.

Überhaupt, diese Bürgergarde… Es muss ein seltsamer und in sich selber zerstrittener Haufe gewesen sein, und ich vermute, die kommandierenden Generale der Alliierten vor Hamburg haben sie oft zum Teufel gewünscht. Jedenfalls versuchte man offenbar, sie ganz unauffällig aus der Schusslinie zu halten. Im Gegensatz zu den professionellen Soldaten der übrigen Armeen waren hier Offiziere wie Gemeine alles Freiwillige (von denen nach Hamburgs Befreiung dann auch die meisten zurück in einen bürgerlichen Beruf gehen sollten, Beneke inklusive). Disziplin war Geschmackssache: Gerade Beneke musste sich von seinem Oberkommandierenden schon mal schriftlich verweisen lassen, wenn er Entscheidungen desselben brieflich gegenüber andern Offizieren der Garde in Zweifel zog. Militärische Disziplin sieht anders aus, aber Beneke scheint das nicht einmal gemerkt zu haben. Darüber, wie gross diese Garde gewesen ist, gehen selbst die Angaben der kommandierenden Offiziere auseinander. Wenn Chef der Garde in einem Brief an Beneke von 600 Mann spricht, so Beneke im nächstfolgenden Brief an einen Freund schon von deren 700. (Übrigens muss ich meine Aussage in III/4 korrigieren: Die Bürgergarde wurde nie von der Hanseatischen Legion übernommen. Die beiden Körperschaften waren sich spinnefeind. Tatsächlich versuchten aber Offiziere der Legion, Mitglieder der Garde in die eigenen Reihen zu ziehen – mit mässigem Erfolg, wie Beneke und die übrigen Stabsoffiziere der Garde zufrieden feststellen.)

Hamburgs Befreiung verzögerte sich und Beneke und seine Freunde mussten noch fast ein halbes 1814 darauf warten. Selbst nach der Eroberung von Paris und dem Sturz Napoléons blieben die französischen Truppen noch lange in Hamburg – was zu der merkwürdigen Sitzuation führte, dass Hamburg formaljuristisch eine Zeitlang nicht nur Teil des Französischen Kaiserreichs gewesen ist, sondern 1814 auch noch des Französischen Königreichs. (Dass das Königreich von den Alliierten als legitimer Nachfolger des Kaiserreichs betrachtet wurde, und nicht etwa die vorhergegangene Republik, zeigt übrigens schon früh die ersten Tendenzen der nun in Europa einsetzenden Restauration auf.)

Die Belagerung Hamburgs machte zwar zeitlich nur 5/12 des Jahres 1814 aus – in den Beilagen spiegelt sich die Wichtigkeit dieser Epoche allerdings darin, dass diese Zeit 5/6 des Umfangs von III/5 einnehmen. Zum Abschluss wird noch die Organisation des Einzugs der Truppen diskutiert. Aus den Querelen um die Neuorganisation Hamburgs zieht sich Beneke rasch zurück. Bei allem Hass gegen die französische Organisation, der Hamburg ein paar Jahre unterworfen war, gefällt es ihm gar nicht, wie die vormals regierenden Senatoren, die den Krieg meist in Hamburg ausgesessen haben, die alten Verhältnisse 1:1 wieder aufbauen möchten. Ein bisschen setzt er seine Hoffnung ja in den Wiener Kongress; ein bisschen befürchtet er aber auch, dass die dort gefassten Beschlüsse die Souverenität Hamburgs endgültig zu Grabe tragen werden.

Das Jahresende 1814 sieht Beneke dann mit Frau und Kindern Weihnachten feiernd in der alten Wohnung wieder. Nur Geld hat er immer noch keines.

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