Heute wurde bekannt gegeben, dass Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur erhalten wird. Ein paar Fans jubeln. Die Masse sagt: „Endlich ein Nobelpreisträger, den ich kenne.“ Ein paar Kritiker weisen schon darauf hin, dass bereits weiland Homer „Sänger“ gewesen sei, der Literaturnobelpreis damit sozusagen an die Wurzeln der Literatur zurückkehrt. Es stimmt, dass die Ilias und die Odysee wohl zur Unterhaltung an den antiken griechischen Höfen gesungen wurden. Doch damit hat es sich schon mit den Ähnlichkeiten. Dylan wird, selbst in den ersten Beiträgen zu seinem Preis, immer und immer wieder als „Musiker“ gehandelt. Er selber hat von sich gesagt, dass er keine Kunst mache, weil Kunst in den Museen hänge und er vor Publikum performiere.
Ich denke, das hier der Hintergrund der Preisverleihung zu suchen ist: Der Versuch, an „Performance“-Formen der Gegenwart anzuschliessen, an Poetry Slam und ähnliches. Im Grunde genommen machen die Preisverleiher nicht viel anderes als die Jury des Deutschen und des Schweizer Buchpreises, die Michelle Steinbecks Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch auf Long- oder gar Shortlist gesetzt haben: Es ist ein Versuch, sich an die Popkultur der Gegenwart anzuhängen. Nur, dass offenbar die Stockholmer eine oder zwei Generationen älter sind als die Buchpreis-Jurys. Während nämlich Poetry Slam eine Erscheinung des 21. Jahrhunderts ist, gehört Dylan mit seinen Versen und seiner Musik noch ins 20. Jahrhundert.
Ob’s ein Fehlentscheid war, wie seinerzeit die Verleihung des Preises an Pearl S. Buck, bleibe dem Urteil der Nachwelt dahingestellt. Persönlich halte ich es für einen – auch und gerade weil ich zu jener Generation gehöre, für die Bob Dylan noch ein echtes Idol war. Man hätte bessere Autoren finden können – wenn auch nicht unbedingt den im Vorfeld oft gehandelten Ngũgĩ wa Thiong’o…