Erzählt wird in zahlreichen kurzen Kapiteln aus der Sicht des Jungen, der nach einer Verletzung einsam durch das Kampfgebiet irrt. Es gibt kaum Handlung, nur Momentaufnahmen, eine Aufeinanderfolge apokalyptischer Szenen, Traumsequenzen, wobei sich Wirklichkeit und Fiktion zu einem unentwirrbaren Geflecht verbinden, Phantastisches mischt sich mit kalter Realität, halbnackte Mädchen mit wundervoll irisierenden Augen wechseln mit alten weisen Männern und Asketen, ein geheimnisvoller Spiegel zeigt – tja, was? den eigenen oder fremden Blick, schicksalshaft, verstörend – bis ihn der Junge zerschlägt.
Manche dieser Sequenzen sind durchaus lesbar, in ihrer Gesamtheit aber haben sie mich mehr und mehr gelangweilt und den Eindruck eines überbordenden Metaphernwusts vermittelt: Natürlich lassen sich alle hier aufgezählten Dinge wunderbar interpretieren, von den Stigmata bis zu den mit obskuren Heiligenmotiven bedruckten Skapulieren. Aber diese in jedem Satz, in jedem Wort verborgene(?), bemühte Sinnhaftigkeit ist mein Geschmack so gar nicht, das Übermaß führt zu einer Beliebigkeit in der Auslegung. Von der eher trivialen Tatsache abgesehen, dass Krieg etwas Schreckliches ist, lässt sich hier alles und jedes hineinlesen in Menschen, die stets nur mit der Sonne und dem Mond im Rücken gehen, weil sie ihren Schatten nicht verlieren wollen, in gefangene Burgherren, die sich vom Staub ernährend auf „den blauen Ruf der Sirenen“ warten, der sie in den Himmel bringt, in Männer, die mit ausgestopften Katzen durch die Lande ziehen oder junge Mütter, die ihre toten Kinder noch wochenlang mit sich tragen. Das ist mir zu viel – und zu wenig – und wäre dies mein erstes Buch von der Autorin gewesen, so höchstwahrscheinlich auch das letzte. „Der Garten über dem Meer“ aber lässt mich hoffen – und ich werde wohl auch noch ihren bekanntesten Roman lesen: „Auf der Plaça del Diamant“ – in der frohen Erwartung, mit etwas weniger Sinnhaftigkeit beglückt zu werden.
Mercè Rodoreda: Weil Krieg ist. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007.
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