Stefan Bachmann: Palast der Finsternis [A Drop of Night]

Seinerzeit hatte ich versprochen, dass ich diesen jungen Schweizer im Auge behalten würde. Das habe ich getan. Vor zwei oder drei Tagen ist nun sein neuestes Werk bei Diogenes auf Deutsch erschienen. Wie immer bei ihm ist das Original auf Amerikanisch geschrieben worden. Übersetzt hat es Stefanie Schäfer. Der Band ist eine sog. Klapp-Broschur, will also den Eindruck von etwas Edlerem als einem gewöhnlichen Taschenbuch vermitteln. (Seine ersten beiden Bücher, Die Seltsamen und Die Wedernoch, erschienen ursprünglich sogar in Pappe mit Kunstledereinband – sind aber unterdessen in dieser Ausgabe m.W. nicht mehr erhältlich.)

Nun also Bachmanns Drittling. Wieder Fantasy (obwohl ich meinte, er hätte mal in einem Interview gesagt, sein nächstes Buch werde etwas ganz anderes; aber auch Autorenpläne realisieren sich nicht immer). Wieder ein Jugendbuch.

Bachmann ist abermals gereift. Seine Erzähltechnik hat sich weiter entwickelt. Diesmal erzählt er in zwei Strängen. Einer davon spielt im Château de Bessancourt im Jahre 1789. Das Schloss gehört einem reichen Adligen, der – um der Revolution entfliehen zu können – sich unter seinem Schloss ein weiteres, geheimes gebaut hat. Der andere Erzählstrang spielt in der Gegenwart, im 21. Jahrhundert, wo 5 US-amerikanische Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren nach Frankreich eingeladen werden, um dort den soeben wieder entdeckten unterirdischen Palast zu erforschen. Beide Stränge werden von jungen Frauen in der Ich-Form erzählt. Der wichtige, zentrale, ist der zweite, der in der Gegenwart spielt. Dort wird erzählt, wie die Fünf nach und nach die Geheimnisse des unterirdischen Palastes und seiner Bewohner lüften. Bachmann war schon immer ein ausgezeichneter Komponist. Die beiden Handlungsstränge, die zuerst wenig mit einander zu tun zu haben scheinen, laufen langsam auf einander zu – der Strang aus dem Jahr 1789 immer eine Art Kontrapunkt bildend zu den Ereignissen in der Gegenwart, zum Schluss aber vieles erhellend und erklärend das die fünf US-Amerikaner erleben. Das Ganze ist spannend, und die knapp 400 Seiten stellen eine gelungene Unterhaltung für ein oder zwei Leseabende dar. Vor allem die junge Protagonistin der Gegenwart ist ein Genuss. Widerborstig und zynisch, sich und die Welt hassend, sich dafür hassend, dass sie die Welt hasst, ist sie ein Paradebeispiel für die Gemütsverfassung eines/r Pubertierenden. Sie hat keine Freunde, und sie will keine Freunde. Aber eigentlich doch.

Und das ist der Schwachpunkt der Geschichte. Dass man beim Plot spätestens in der Hälfte der Geschichte merkt, worauf das Ganze hinaus läuft, kann man auch positiv formulieren: Bachmanns Geschichte ist konsequent und in sich stimmig konstruiert. Und sie bleibt trotz dieser Schwäche spannend. Dass man aber auch beim (wenn ich so sagen darf) Meta-Plot merkt, worauf’s hinauslaufen soll, ärgert. Der Meta-Plot, die Coming-of-Age-Story, drängt sich ab der zweiten Hälfte in den Vordergrund. Selbstverständlich ist der Protagonistin so verkorkstes Ich nicht einfach so entstanden; sie hat eine unglückliche Kindheit und Jugend hiner sich. Aus einem Kinderheim von einem reichen Paar adoptiert, kennt sie ihre leibliche Mutter nicht. Als ihre Adoptiveltern dann nach sechs Jahren doch noch eigenen Nachwuchs bekommen, wird die Adoptivtochter beiseite geschoben. Und selbstverständlich erfährt Anouk, so heisst die Protagonistin, im Laufe ihrer Abenteuer echte Freundschaft und kann auch echte Freundschaft zurück geben. Das zeichnet sich bereits in der Mitte des Romans ab. Schade, eine Anouk, die bis zum Ende der Geschichte zynisch, widerspenstig und verkorkst geblieben wäre, wäre wohl nicht nur realistischer gewesen, sondern auch für den (erwachsenen) Leser interessanter.

Aber Bachmann scheint ein Autor mit einem ungeheuren Harmoniebedürfnis zu sein. Dabei gelingen ihm durchaus Szenen, die eines des Grossen des Horrors würdig wären, in seinem unterirdischen Schloss. So aber macht nicht die Tatsache, dass es keinen Sex gibt (einmal erwähnt Anouk, dass sie nicht mehr Jungfrau ist), nicht die Tatsache, dass in all den Tagen unter der Erde kaum gegessen und getrunken wird und vor allem niemand aufs Klo muss (ein einziges Mal wird davon erzählt), sondern das Friede-Freude-Eierkuchen-jetzt-sind-wir-alle-nett-und-lieb-miteinander-Happy-Ending den gelungenen Ansatz zu einem Fantasy-Buch für Erwachsene zunichte.

Ich weiss noch nicht, ob ich Bachmann weiter verfolgen werde.

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