Botanical Treasures from Cook’s First Voyage. With texts by Mel Gooding, commentaries on the plates by David Mabberley, and an afterword by Joe Studholme. With 181 illustrations. London: Thames & Hudson, 2017.
Ein Coffee-Table-Book, wenn es eines gibt: 55 x 27 cm, über 300 Seiten und ein entsprechendes Gewicht machen dieses Buch ungeeignet zu einer andern Lektüre als aufgeschlagen auf einem Tisch.
Florilegium heisst ‚Blütenlese‘ und ist im vorliegenden Fall wörtlich zu nehmen. (Es handelt sich hier also nicht um eine – mittelalterlich-scholastische – Anthologie von Texten!)
Das Buch hat eine spannende Vorgeschichte:
Joseph Banks war der wissenschaftliche Begleiter auf James Cooks erster Weltumsegelung. Er und seine Mitarbeiter sammelten unterwegs Tausende von Pflanzen, viele (die meisten) davon vorher in Europa unbekannt. Banks und sein Team waren dabei unermüdlich. Angefangen in Madeira, über Rio de Janeiro (wo man ihn nicht an Land lassen wollte, weil man die Endeavour, Cooks Schiff, für ein Spionageschiff der britischen Admiralität hielt, und wo Banks dennoch heimlich nachts an Land ging), über Feuerland, Polynesien, Neuseeland, Australien und Java zurück nach Hause – überall wurden Pflanzen gesammelt und/oder abgezeichnet.
Und auch wenn die Endeavour in Tahiti nur wenige Wochen nach dem Franzosen Bougainville gelandet war: Mit Banks war der bessere Naturwissenschafter an Bord des britischen Schiffs, und er hätte auch genügend Zeit gehabt, einen Bericht zu verfassen über alle (oder wenigstens einen Grossteil) der botanischen Entdeckungen. Statt dessen geschah zuerst – gar nichts. Dann engagierte Banks (auf eigene Kosten, so, wie er auch auf eigene Kosten an der Weltumsegelung teilgenommen hatte!) einige der besten Kupferstecher seiner Zeit, um wenigstens ein paar Hundert der in seinem Haus gelagerten botanischen Specimen in einem Bild zu verewigen. Die Bilder wurden gestochen, Probeabzüge erstellt, und dann – liess Banks die Platten in seinem riesigen Archiv verschwinden. Bis heute rätselt die Wissenschaftsgeschichte über die Gründe, die Banks dazu bewogen haben könnten, auf jede Form der Verwertung seiner Reise zu verzichten.
Die Platten blieben bis 1978 in Banks‘ Archiv liegen. (Das Archiv befindet sich unterdessen im Natural History Museum in London.) Dann machte sich ein Team junger Drucker und Verleger daran, die Platten zu reinigen und sie, mittels Poupée-Technik eingefärbt, in Originalgrösse zu reproduzieren. Die so produzierten Grafik-Serien sind m.W. längst ausverkauft. Später aber machten sich ein paar weitere Enthusiasten daran, aus den Kupferstichen vorliegendes Buch zu erstellen. Die Grafiken wurden dafür auf ca. 75% der Originalgrösse reduziert. Jeder abgebildeten Pflanze wurde ein kurzer erklärender Text beigefügt, immer nach dem gleichen Schema: aktueller botanischer Fachname der Pflanze mit Familie, der sie zugehört; eine kurze Schilderung, wo und wann die Besatzung der Endeavour sie gesammelt hatte, welchen Namen man ihr ursprünglich gegeben hatte1); ihre aktuelle Verbreitung; ihre aktuelle oder frühere Nutzung durch Indigene und/oder Europäer. So wird aus einem botanischen Fachbuch so ganz nebenbei auch eine kleine Kulturgeschichte.
Das Buch ist inhaltlich wie gestalterisch vorzüglich gemacht und ein wahrer Schmuck eines jeden Coffee Table.
1) Hier zeigt sich die Wissenschaftsgeschichte von ihrer unbarmherzigen Seite: Obwohl in vielen Fällen Banks und sein Team die betreffende Pflanze als erste entdeckt und gesammelt hatten, tragen nur die wenigsten den Namen, den Banks oder Solander, der Assistent von Banks, ihnen gegeben haben. In der Botanik ist es nun einmal so, dass der Name verwendet wird, den die Pflanze von der Person erhalten hat, die sie zuerst vollständig beschreibt. Und so tragen viele Pflanzen den Namen von Solanders Lehrer Linné in ihrem Fachnamen, obwohl der nie auf Tahiti oder Hawaii war. Ja, selbst die beiden Forster, die in vielem nur in den Spuren Banks‘ reisten, haben mehr Pflanzen in diesem Buch benannt, als die beiden eigentlichen Entdecker Banks und Solander.