Peter Høeg: Der Susan-Effekt

Ich habe die meisten von Høegs Romanen gelesen – mit mal mehr, mal weniger Vergnügen. Dieses Buch gehört zu letzteren – wobei „weniger“ noch ein Euphemismus ist.

Høeg kann eigentlich schreiben, aber er hat einen übermäßig starken Hang zum Phantastischen, der oftmals ins Esoterische abgleitet. Und ihm eignet eine Art von Besonderheitstümelei, die ich so gar nicht vertrage: Alle in diesem Buch auftretenden Personen sind ganz außergewöhnliche Charaktere, im mindesten Nobelpreisträger (gleich zwei Stück), haben Sonderbegabung (Gedächtnis) oder aber besondere Freude am Morden. Was auch immer, man wird jedenfalls nicht Gefahr laufen, auch nur einer einzigen Person im tatsächlichen Leben zu begegnen. Wobei der ganz Plot schon auf einer Sonderbegabung fußt: Dem „Susan-Effekt“, der Leute dazu veranlasst, ihr Innerstes nach außen zu kehren.

Die Handlung ist abstrus, abenteuerlich, unlogisch und an den Haaren herangezogen: Erwähnte Susan wird mit ihrer Familie eingesperrt, sie soll die Mitglieder einer bereits aufgelösten Komission in Erfahrung bringen, allerdings werde diese sukzessive dahingemeuchelt (auf durchaus kreative Weise: Ein Pater findet sich in einer Waschmaschine wieder (Hauptwaschgang), eine andere wird an ein Kirchendach gebunden usf). Das abenteuert so vor sich hin (nebst kleineren und größeren Massakern), bis sich am Schluss herausstellt, dass der vor langer Zeit verschwundene Vater die Hauptfigur, eine Art Weltverschwörungsführer ist, der die Evakuierung der wichtigsten Personen Dänemarks auf eine Insel plant (und dass die Welt untergeht – das wiederum hat diese Komission herausgefunden, der offenbar auch übermenschliche Fähigkeiten zueigen waren).

Irgendwann ist das dann weder spannend noch amüsant, sondern nur noch ein langweiliges und völlig irrwitziges Geschreibsel, das außerdem dazu neigt, triviale Sentenzen abzusondern. Erschwerend kommen noch pseudowissenschaftliche Versatzstücke hinzu (und natürlich muss wieder einmal die Quantenphysik als Grundlage für einige Lebensweisheiten Pate stehen). Dabei retten einige durchaus originelle und witzige Beschreibung das Buch nicht: Solche Ansätze gehen in diesem phantastischen Galimathias völlig unter. Høeg ist förmlich besessen von seinem Besonderheitswahnsinn, es gibt keine Szene, keine Erinnerung, die nicht etwas ganz Außergewöhnliches oder vermeintlich Originelles an sich haben. So hat man bei der Beschreibung des ersten Kennenlernens von Susan und Laban (einem natürlich ganz ausnehmend begabten Musiker mit ganz außergewöhnlichem Gehör) den Eindruck, dass man die gesammelten Phantasien eines romantisch veranlagten, pubertierenden Jugendlichen liest: Stunden- und tagelanges Warten auf die Angebetete, rote Rosen auf dem Fahrradsattel drapiert und ein dreiwöchiges Zusammensein in einem einsamen Haus, ohne einander auch nur zu berühren. Usf.

Erfindungsreichtum und Kreativität in Ehren: Aber in dieser Form ist das schlicht Mist. Høeg fehlt das Feingefühl, wo er sich bescheiden, Verzicht leisten müsste auf Einfälle. Denn diese permanente Abfolge von abstrusen Einfällen und haarsträubenden Situationen wirkt schließlich nur noch platt und albern. Hier verschwendet jemand Talent – und verdient sich eine goldene Nase: Den verkauft hat sich das Buch hervorragend. Vielleicht war ja das die Hauptabsicht des Autors.


Peter Høeg: Der Susan-Effekt. München: Hanser 2015.

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