Hans-Joachim Löwer, Udo Bernhart: Die Alpenfront einst und jetzt

Ein reich bebilderter Band über eine Kriegsfront des Ersten Weltkrieges, die wie kaum eine andere beispielhaft für die Sinnlosigkeit dieses Kämpfens war. Denn von der Kriegserklärung Italiens an Österreich im Mai 1915 (wobei die Grenzziehung von den Alliierten bereits im voraus festgelegt wurde – heißt: Auch Südtirol würde an Italien fallen) bis zum Ende im November 1918 gab es – vielleicht von der 12. Isonzoschlacht abgesehen, die Auswirkungen auf den Alpenkrieg hatte, weil Italien alle verfügbaren Kräfte an der Piave zusammenziehen musste – nirgendwo nennenswerte Gebietsgewinne, dafür aber unzählige Opfer (wobei durch Naturkatastrophen fast so viele Tote zu beklagen waren wie durch Kampfhandlungen).

Die Autoren beschreiben 24 Orte dieses Schlachtens – einst und jetzt. Den geschilderten Kampfhandlungen folgt in den einzelnen Kapiteln stets eine Bestandsaufnahme aus heutiger Sicht: Sie sprechen mit den Nachfahren der Soldaten, mit zufälligen Wanderern, Hobbyhistorikern und den Verwaltern von Museen und Kriegsfriedhöfen. Durch diese Gegenüberstellung des einst und jetzt wird der Wahnsinn dieser Auseinandersetzungen noch eindrücklicher festgehalten: Nach 100 Jahren scheinen alle Parolen von damals höchst lächerlich – ob man nun für Gott und den Kaiser oder für die „Terre irredente“ (die unerlösten Gebiete) sein Leben ließ (wobei natürlich der – selbe – Gott auf von italienischer Seite in Anspruch genommen wurde).

Vor allem Italien (und besonders während der Zeit des Faschismus) hat die Kämpfer glorifiziert, es wurden Denkmäler errichtet und Gottesdienste abgehalten: Erst seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts (als man sich über die Durchführungsbestimmungen der Südtirolautonomie einigte) wurde an ein- und demselben Ort für die Toten beider Seiten gebetet. Diese posthumen Ehrungen lassen aber die Realität immer außer Acht, eine Realität, die brutaler nicht hätte sein können bei Temperaturen von minus 30 Grad, prekärer Versorgungslage (der österreichische Soldat wog im Durchschnitt zu Kriegsende 50 kg – und damit werden sie sich kaum von ihren Feinden unterschieden haben) und wahnwitzigen Attacken, deren Erfolglosigkeit jeder Seite schon vorher klar war. Für all das aber wurden ungeheure Energien aufgewendet, Bergspitzen wurden gesprengt, ein kilometerlanges Tunnelsystem angelegt, auch Gletscher zu unterirdischen Stellungen ausgebaut und durch bloße Körperkraft unzählige Tonnen an Kriegsgerät auf die Gipfel geschafft. Während im Hinterland die Produktion lebenswichtiger Güter zusammenbrach, ebenso die Landwirtschaft.

Nachdenklich stimmen die Meinungen derer, die sich heute mit diesen Gebirgskrieg auseinandersetzen: Dass es nach Jahren bemühter Versöhnung auch wieder andere Töne gäbe, dass auch wieder vom Schlachtenruhm gesprochen würde und man heute mehr Verständnis aufbringe für kriegerische Tugenden als vor 20 Jahren, als die Einigung Europas noch sehr viel stärker Projekt war. (Dass man patriotisch-nationalistische Gefühle nur allzu gern instrumentalisiert bewies die neue österreichische Regierung, die nach ihrem Antritt allen Südtirolern eine Doppelstaatsbürgerschaft anbot: Allerdings war die Resonanz gering. Bei der recht unübersichtlichen politischen Lage in Italien muss dies allerdings keineswegs so bleiben – und vielleicht finden sich dann doch wieder Bombenattentäter wie vor 50 Jahren, die, wie ich mich noch aus meiner Kindheit erinnere, in Österreich mit sehr viel Verständnis betrachtet wurden.) Ob mahnende Bücher an dieser Entwicklung etwas ändern können mag bezweifelt werden: Sie sind aber immerhin ein Gegengewicht zu einem wieder salonfähig werdenden Nationalismus. Wobei das Buch – auch – ästhetisch anzusprechen vermag: Die Fotos sind schlicht großartig.


Hans-Joachim Löwer, Udo Bernhart: Die Alpenfront einst und jetzt. Auf den Spuren des Gebirgskrieges 1915 – 1918. Bozen: Athesia 2014.

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