Bernd Schuchter: Herr Maschine oder vom wunderlichen Leben und Sterben des Julien Offray de La Mettrie

Julien Offray de La Mettrie gehört zu den weniger bekannten Exponenten der französischen Aufklärung: Allerdings ist er keineswegs so verkannt wie Schluchter dies in dem Büchlein darstellt. Diese Mischung aus Biographie, historischer Einordnung und Werkanalyse macht aus dem französischen Arzt einen zu Unrecht völlig vergessenen Denker, während er tatsächlich mit D’Holbach, Maupertuis oder Grimm in einem Atemzug genannt wird, hingegen nicht den Bekanntheitsgrad der Enzyklopädieherausgeber Diderot und d’Alembert erreicht oder gar mit Voltaire oder Rousseau wetteifern kann.

Gerade aber „Der Mensch als Maschine“ ist berühmter als die meisten anderen Werke dieser Zeit und tatsächlich ein Meilenstein in der Geschichte des Materialismus. Natürlich macht dieses Werk auf den heutigen Leser den Eindruck einer stark vereinfachenden, fast kruden Philosophie – aber mit dieser Beurteilung tut man dem Werk eigentlich Unrecht. Denn in seiner Konsequenz ist es wegweisend – und es ist trotz der simplifizierenden, materialistischen Darstellung sehr viel klüger als vergleichbare Werke: Gerade weil es auf alle metaphysischen Konzessionen verzichtet und man wundersame Geistkonstruktionen vergeblich sucht. La Mettrie war als Arzt mit dem Körper des Menschen einigermaßen vertraut (so weit man das für die Medizin des 18. Jahrhunderts behaupten kann): Und die luzide Selbstbeobachtung während eines schweren Fiebers weist ihn mit Nachdruck auf die Abhängigkeit der geistig-seelischen Verfasstheit vom körperlichen Befinden hin.

Leider vernachlässigt Schuchter die philosophische Seite von La Mettrie zugunsten zahlreicher Anekdoten (insbesondere sein Tod ist legendenumrankt – er hat sich angeblich an einer Trüffelpastete überfressen und ist damit einen im Grunde konsequenten Tod gestorben: War er doch ein dezidierter Anhänger Epikurs, ohne allerdings dessen zumeist verschwiegene, vernünftig-pragmatische Seite in seiner Lebensführung zu berücksichtigen). Andere Quellen wollen gar von einem Attentat auf den Hofarzt Friedrichs wissen (viel mehr als dunkle Gerüchte erfährt man hiezu nicht), eine Ansicht, der auch Schuchter einiges abgewinnen kann. (Als ein Verächter aller Verschwörungstheorien bin ich diesbezüglich allerdings höchst skeptisch.) La Mettries Auseinandersetzungen mit dem ärztlichen Establishment werden ebenso geschildert wie seine durch die Bücher erzwungene Flucht nach Leiden (und später an den Hof Friedrichs, wo er – nach Schuchter – die Funktion eines Hofnarren ausfüllte). Und natürlich die Kriegserlebnisse, die ihm jenes erwähnte Fieber bescherten, das ihm die Seele als ein höchst flüchtiges Ding erscheinen ließ.

Insgesamt eine angenehme Lektüre für zwischendurch – allerdings auch nicht mehr. Ich hätte mir eine eingehendere Behandlung der philosophischen Positionen La Metries gewünscht, einen ausführlicheren Vergleich mit seinen philosophischen Mitstreitern und Gegnern (und nicht die bloß auf Amüsement abzielende Beschreibung seiner Polemik mit Albrecht von Haller) oder auch die Darstellung seines Einflusses auf spätere Denker (der sehr viel größer war als Schuchter den Leser wissen lässt: Dies würde sich nicht zum Topos des verkannten Denkers fügen). So ist dieses Büchlein bestenfalls anregend, macht Lust auf eingehendere Lektüre (was denn auch wieder nicht das Schlechteste ist).


Bernd Schuchter: Herr Maschine oder vom wunderlichen Leben und Sterben des Julien Offray de La Mettrie. Wien: Braumüller 2018.

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