Perikles Monioudis: Robert Walser

Robert Walser wird in unserm Blog leider sträflich vernachlässigt. Das liegt, zumindest, was mich betrifft, keineswegs daran, dass ich Walsers literarische Qualitäten gering schätzte. Sondern ganz einfach daran, dass sich mir in den letzten Jahren kaum Anlässe boten, mich wieder mit diesem Schweizer Autor zu beschäftigen. Nun aber bin ich letzthin auf eine Buchempfehlung der Literaturkritikerin Nicola Steiner im Literaturclub des Schweizer Fernsehens gestossen. Indirekt über eine Bemerkung irgendwo im Internet gestossen, denn offen gesagt, schaue ich seit Jahren nicht mehr fern. Diese Buchempfehlung, ich habe die Sendung (im Internet!) kurz nachgeschaut, dauert wohl keine ganze Minute – vorgestellt wurde eben diese Biografie von Perikles Monioudis, die ich hier nun auch fast so kurz wie Nicola Steiner vorstelle.1)

Monioudis, Schweizer Autor mit griechischen Wurzeln, geht dabei der Frage nach, was Robert Walser, in Biel zur Welt gekommen und dort aufgewachsen, nach einer Banklehre und verschiedenen Stellen u.a. in Zürich und in Winterthur, endlich im literarischen Berlin an- (er trifft u.a. auf den ebenfalls in der Schweiz aufgewachsenen Wedekind, aber die beiden können es nichts so recht miteinander) und im renommierten Verlag Bruno Cassirers untergekommen (sein Lektor dort war niemand Geringeres als Christian Morgenstern!) – was diesen jungen und eigentlich in Berlin als Autor etablierten Mann dazu brachte, wieder zurück in die Schweiz zu gehen und dort – zu Beginn abermals in subalternen Stellungen, zum Schluss in einer psychiatrischen Klinik – nach und nach zu verstummen. Ausschlaggebend muss, wenn wir Monioudis folgen, der Umstand gewesen sein, dass Walser zwar als Sekretär der Berliner Secession Zugang zur literarischen Crème de la Crème der deutschen Hauptstadt hatte, auch als Essayist gefragt war, aber mit seinen drei Romanen (Geschwister Tanner 1907, Der Gehülfe 1908, Jakob von Gunten 1909) auf – gelinde gesagt – geringes Interesse stiess. Walser (so Monioudis), der schon als Kind und als Jugendlicher miterleben musste, wie sein Elternhaus aus ursprünglich grossbürgerlichen Verhältnissen ins Prekariat abrutschte, vollendete angesichts des Scheiterns als der Autor, der er gerne gewesen wäre, bewusst den väterlichen Abstieg, da er den (Wieder-)Aufstieg als missglückt betrachten musste.

Solche Interpretationen sind – gelinde gesagt – fragwürdig. Als Essay eines Schriftstellerkollegen mögen sie immerhin durchgehen. Aber im Grunde genommen können sie nur sagen: Wir wissen nicht, warum Walser tat, was er getan hat, und können diese Unbekannte ‚x‘ nur ersetzen durch eine andere Unbekannte ‚y‘. Der Wert dieser knapp 100 grosszügig gesetzten Seiten liegt denn auch weniger im Text als in den Illustrationen. Wer auch immer es war, ob der Autor Perikles Monioudis selber, der Herausgeber der Reihe Leben in Bildern, Dieter Stolz, die Mitarbeiter des Robert-Walser-Zentrums in Bern, oder eine subalterne Stelle im Verlag: Man hat sich wirklich Mühe gegeben damit. Es wurden viele alte Fotografien herausgesucht – nicht nur Familienfotos aus Robert Walsers Kindheit und Jugend (das auch), sondern auch den einen oder andern Ort, an dem Walser gelebt, gearbeitet oder auch nur zu Mittag gegessen hat. Viele Gebäude stehen schon lange nicht mehr. Mutatis mutandis scheint die Reihe Leben in Bildern des Deutschen Kunstverlags, in der dieses Buch erschienen ist, die von mir erloschen geglaubte Tradition der Rowohlt’schen Bildmonografien wiederbeleben zu wollen. Mutatis mutandis, denn das Format ist ein anderes, grösser und der Satz daher grosszügiger, auch haben wir einen festen Pappeinband vor uns.

Lesenswert würde ich also Monioudis‘ Walser-Biografie nicht unbedingt nennen. Anschauenswert hingegen schon. Und so oder so ist es verdankenswert, dass der grosse Schweizer Autor Robert Walser dem Publikum wieder in Erinnerung gerufen wird.


1) Vor einigen Tagen habe ich ungefähr auf denselben Wegen erfahren, dass Nicola Steiner den Wahl-Schweizer Hermann Hesse (der in Walsers Berliner Jahren ebenfalls eine Rolle spielte und in Monioudis‘ Buch erwähnt wird) als Autor recht hoch einschätzt, und – von allen Werken dieses Vielschreibers ausgerechnet! – Narziß und Goldmund empfiehlt…


Perikles Monioudis: Robert Walser. Berlin, München: Deutscher Kunstverlag, 2018

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