Bei diesem Roman Raabes ist der Untertitel nicht unwichtig. Genauer gesagt: ein Wort darin – Säkulum. Denn dieses Wort stellt einen der Schlüssel dar, mit dessen Hilfe wir uns Unruhige Gäste erschließen können – einen der vielen möglichen, denn wie alle gute Literatur weist dieser Roman viele mögliche Interpretationen auf. (Womit gleich geklärt ist, dass ich…
Schlagwort: Realismus (Literaturgeschichte)
1848-1890
Jules Verne: Le Sphinx des glaces [Die Eissphinx]
Was ist das Resultat, wenn ein nur mäßig begabter Romancier von Weltruf sich bemüßigt fühlt, für den einzigen und bestenfalls mäßig gelungenen Roman eines anderen Autors von Weltklasse eine Fortsetzung zu schreiben? Richtig: ein so ziemlich misslungener Roman, nämlich Die Eissphinx. Dieser Roman von Jules Verne stellt eine Art Fortsetzung dar des Romans The Narrative…
Joaquim Maria Machado de Assis: Contos Fluminenses
Fluminense ist ein heute nicht mehr gebräuchliches Adjektiv des brasilianischen Portugiesisch. Es setzt sich zusammen aus dem Suffix’-ense’, das in etwa so viel bedeutet wie ‚zugehörig zu‘, ‚Teil von‘. ‚Flumen‘ wiederum ist eigentlich ein Substantiv, dazu noch ein lateinisches, und bedeutet auf Deutsch ‚Fluss‘. Das Wort ist ziemlich sicher eine gelehrte Ableitung, die es in…
Nicole Seifert: »Einige Herren sagten etwas dazu«. Die Autorinnen der Gruppe 47
Hans Werner Richter war Spiritus Rector und Kopf jener Gruppe von Schriftsteller:innen, die sich 1947 zum ersten Mal traf und dann auch diese Jahreszahl im Namen beibehielt, also der „Gruppe 47“. („Gruppe“ deshalb, weil es nie festgeschriebene Statuten gab oder gar eine Eintragung als Verein, man war und wollte bleiben eine lose Gruppe.) Richter lud…
Wilhelm Raabe: Fabian und Sebastian
Still und leise hat der Wallstein Verlag letztes Jahr mit dem vorliegenden Band eine neue Raabe-Werkausgabe angefangen. Sie wird als kritisch kommentiert angezeigt. Nun weiß ich allerdings nicht genau, was damit gemeint sein könnte. Ich vermute, es sind die recht ausführlichen, oft ins Literaturkritische (besser: Literaturwissenschaftliche) ausholenden Anmerkungen des Herausgebers Moritz Baßler gemeint. Eine eigentliche…
Wilhelm Busch: Die fromme Helene
Max und Moritz ist sicher das bekannteste Werk von Wilhelm Busch, aber gleich dahinter folgt Die fromme Helene. Max und Moritz wird gern als Kinderbuch betrachtet und verkauft, obwohl es eigentlich keines ist. (Nicht jedes Buch mit Kindern in den Hauptrollen ist per se ein Kinderbuch.) Max und Moritz ist zynisch und brutal – wobei…
Georg Büchner: Lenz
Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Täler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen und Tannen. Es war naßkalt; das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber…
Prosper Mérimée: Carmen
Carmen – viele werden bei diesem Namen wohl eher an die romantische Oper von Georges Bizet denken als an deren literarisches Vorbild, die Kurzgeschichte gleichen Namens von Prosper Mérimée. Wer sie aber dann liest, wird erstaunt zwei Dinge feststellen: Zunächst ist diese Kurzgeschichte wirklich kurz. In meiner Ausgabe (Taschenbuchgröße, keine übertrieben kleine Type, anständiges Seiten-Layout)…
Gottfried Keller: Das Sinngedicht
Das Sinngedicht als Gattung ist heute ausgestorben; kaum jemand schreibt noch „Sinngedichte“, bzw., wie sie in der Fachsprache heißen, Epigramme. Es werden bestenfalls noch „Aphorismen“ verfasst. Die Ansprüche des Sinngedichts an seine Verfasser:innen sind halt bedeutend höher als die des Aphorismus. Auch ein Aphorismus sollte kurz sein, aber ein Sinngedicht ist üblicherweise in Versen abgefasst,…
Nikolai Gogol: Die toten Seelen
Ein … ähm … je nun … sagen wir … einigermaßen seltsamer Roman ist das hier ja schon. Und damit meine ich nicht den Titel. Natürlich würden wir heute unter einem solchen Titel eher einen Horror- oder Gruselroman erwarten. Selbst der Moskauer Zensor verweigerte dem Buch die Druckgenehmigung, weil – so argumentierte er – Seelen…