Brigitte Reimann: Das grüne Licht der Steppen

Gestern abend rief Kurt an: Pack deinen Koffer. Dienstag fliegen wir nach Sibirien, eine Delegation vom Zentralrat, du wirst schreiben. Keine Ausreden, keine Bedenkzeit. Route: Moskau, Zelinograd, Nowosibirsk, Irkutsk, Bratsk, Moskau. So, völlig unvorbereitet, ist Brigitte Reimann zu ihrem Auftrag gekommen. Ihre Ferienpläne konnte sie gleich aufgeben – Auftrag ist Auftrag, und wenn die Partei…

John Dos Passos: U.S.A. – Nineteen Nineteen [1919]

Ältere Übersetzungen ins Deutsche dieses Romans (des zweiten Teils der U.S.A.-Trilogie von John Dos Passos) tragen zum Teil andere Titel; die deutsche Erstausgabe hieß zum Beispiel Auf den Trümmern. Das ist nicht völlig falsch, legt aber das Gewicht auf etwas, das der Autor eher nebenbei thematisiert – bewusst nebenbei thematisiert. Will sagen: Trümmer gibt es…

Joseph Roth: Reisen in die Ukraine und nach Russland

Im Sommer 1926 war Joseph Roth im Auftrag der Frankfurter Zeitung, deren zeitweiliger Mitarbeiter er darstellte, nach Russland gefahren. Die Frankfurter Zeitung war damals ein Sprachrohr der linken Intellektuellen, und eine Übersicht über ihre Mitarbeiter liest sich heute wie ein ‚Who ist who‘ der damaligen Szene. (Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten einige dieser Mitarbeiter in…

Hans Diefenbacher (Hrsg.): Anarchismus

Bei diesem Buch handelt es sich um eine Sammlung von verschiedenen Aufsätzen zum Thema „Anarchismus“. Genauer, wie der Untertitel sagt: Zur Geschichte und Idee der herrschaftsfreien Gesellschaft. Wie immer bei solchen Sammelbänden sind die einzelnen Beiträge von unterschiedlichem Niveau, auch aus unterschiedlichen Gesichtspunkten verfasst. Das Schwergewicht der Darstellung liegt dabei auf den ‚klassischen‘ (mehr oder…

Verena Moritz, Hannes Leidinger: Die Nacht des Kirpitschnikow

Auch in diesem Buch widmen sich Leidinger/Moritz dem Problem der kontrafaktischen Geschichte: Was wäre gewesen, wenn – und sie stellen fünf Momentaufnahmen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges vor, die (möglicherweise) Wendepunkte hätten sein können. Und wie in seiner Analyse des des Unterganges der Habsburger-Monarchie wird auch hier versucht, die Sinnhaftigkeit einer solcher Geschichtsbetrachtung darzulegen….

›Marginalien… 227. Heft

Gerade noch rechtzeitig vor den Festtagen ist Heft 227 der Marginalien (Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie der Pirckheimer-Gesellschaft) bei mir eingetrudelt. Für mich ein wenig ein Heft des Déjà-vu. Je m’explique. Die m.M.n. wichtigsten Beiträge und Rezensionen: Ein Essay von Ulrich Wannhoff: Expeditionszeichner und der Weg zur freien Kunst über jene Männer, die vor der…

Victor Serge: Die große Ernüchterung

Victor Serge war ein Revolutionär der ersten Stunde (besser: Wäre es gern gewesen, hätte man ihn nicht in Frankreich in ein Internierungslager gesperrt) und hat sich später Trotzki angeschlossen: Was von der sowjetischen Nomenklatura nicht goutiert wurde und für ihn abermals mit Lagerhaft endete. Wobei er trotzdem von Glück sagen konnte: Er durfte 1936 die…

Wassilij Grossman: Alles fließt …

Der letzte Roman Grossmans, der ebenso „verhaftet“ wurde wie schon Leben und Schicksal. Und auch hier ist es den allgegenwärtigen Staatsorganen nicht gelungen, eine Veröffentlichung zu verhindern, obschon es in der Sowjetunion ein Vierteljahrhundert gedauert hat, bis das Buch erscheinen durfte. Grossman hat nach der Beschlagnahmung des Manuskriptes große Teile neu verfasst, zudem Analysen über…

Hans Heinz Holz: Dialektik. Problemgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Band V: Einheit und Widerspruch III. Die Ausbreitung der Dialektik

Dieser Band schliesst Hans Heinz Holz‘ monumentale Geschichte der Dialektik ab. Es fehlten bisher noch die Grossen der Dialektik: Hegel und Marx. Diese nehmen denn nun einen grossen Teil des letzten Bandes ein. Mit dem ausgereiften Werk Hegels – also mit dem Dreischritt von Phänomenologie des Geistes, Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften…

Boris Pasternak: Doktor Schiwago

Pasternaks Roman wurde vor allem durch seine Verfilmung berühmt – als auch durch die Umstände, die den Autor dazu zwangen, den Nobelpreis von 1958 nicht anzunehmen. Der Film (mit Omar Sharif in der Hauptrolle) setzt – nicht weiter überraschend – sehr stark auf die Liebesgeschichte, während man das Buch als eine Kritik an der Umsetzung…