Thornton Wilder: Theophilus North

Wilder habe ich damals am Gymnasium kennen gelernt, als eine auf Schulaufführungen spezialisierte Truppe für die ganze Schule Our Town (Unsere Stadt) aufführte. Natürlich hatten wir vorher das Stück im Unterricht besprochen, und wir waren ganz stolz darauf, ein (na ja: einigermassen) „modernes“ Stück gelesen, besprochen und gesehen zu haben. Denn Our Town galt damals…

Lewis Carroll: Sylvie & Bruno

Alle kennen Alice im Wunderland, und sei es nur von einer mehr oder weniger gruseligen Adaption für Film, Funk oder Fernsehen. Auch Alice hinter den Spiegeln ist wohl den meisten ein Begriff, obzwar ich schon erlebt habe, dass man es für das gleiche Buch hielt wie Alice im Wunderland und nicht für dessen Fortsetzung. Aber…

Heinrich Böll: Doktor Murkes gesammeltes Schweigen

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs standen die Kunstschaffenden in Deutschland im Grunde genommen vor einer grünen Wiese. Man könnte auch sagen: vor einem Trümmerfeld. Weshalb denn in der Literatur als erste neue Richtung das entstand, was man später ‚Trümmerliteratur‘ nennen sollte: Geschichten vom Leben kurz nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs, Geschichten vor allem…

Dorothy Parker: denn mein herz ist frisch gebrochen

Im Grunde genommen verwendet Dorothy Parker die gleiche Methode wie Jane Austen, wenn es darum geht, ihre Kritik zu formulieren am Patriarchat (um einmal dieses Schlagwort zu verwenden für den ganzen Komplex an sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Benachteiligungen, denen Frauen bis heute ausgesetzt sind): Sie streut eine feine Schicht von Ironie über ihre Texte. Eine…

Afro-Pfingsten 2022

Afro-Pfingsten, das Straßen-, Musik-, Folklore-, Verkaufs-, Drittwelt- und Food ‘n Dine-Festival in Winterthur lebt! Wieder, muss man wohl sagen, denn es war auch schon tot. Bzw., der Verein, der es organisiert hatte, war zahlungsunfähig geworden. Ich habe, offen gesagt, nicht genau mitbekommen, wann das Festival in seiner alten Form wieder belebt wurde, und ob es…

Wilhelm Raabe: Die Chronik der Sperlingsgasse

Diese Erzählung war das erste Werk, das Raabe veröffentlichen konnte. Er schrieb es 1854 / 1855. In diesem Jahr wurde es auch veröffentlicht – vordatiert auf 1856. Die Chronik der Sperlingsgasse war sofort ein großer Erfolg. Ich habe auf die Schnelle keine genauen Zahlen gefunden, bin aber der Meinung, dass es bis an Raabes Lebensende…

Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben

Wir alle kennen diesen Nachbarn oder Arbeitskollegen, der nicht nur alles weiß, sondern auch alles besser weiß, der alles erklären kann, warum es ist, wie es ist, aber auch gleich hinzufügt, wie es eigentlich sein sollte, wenn es so sein sollte, wie es am besten wäre. Das Maskulinum in vorhergehendem Satz ist dabei keineswegs generisch…

H. S. Eglund: Nomaden von Laetoli

Eigentlich mag ich diese Frage ja gar nicht, weil ich der Meinung bin, dass es, wenn der Text einmal beim Publikum ist, keine Rolle spielt, was der Autor oder die Autorin damit sagen wollten, sondern nur noch wichtig ist, was der Text (zum Beispiel: mir) wirklich mitteilt. Im Fall des vorliegenden Romans aber stelle ich…

Cormac McCarthy: The Road [Die Straße]

Wenn ich bereits auf der ersten Seite eines Romans lese: And on the far shore a creature […] stared into the light with eyes dead white and sightless as the eggs of spiders, dann schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken. Auch wenn es sich um die Schilderung eines Alptraums handelt, aus dem der Protagonist soeben erwacht:…

Robert Musil: In Zeitungen und Zeitschriften II. Unselbständige Veröffentlichungen 1922-1924

Langsam ziehe ich die Seriosität der neuen, sich als „kritisch“ anpreisenden Musil-Gesamtausgabe in Zweifel. Sie wollte eine kritische sein, ein Hybrid-Ausgabe allerdings – will sagen: Der Text wird vom Verlag Jung und Jung in Buchform geliefert, die kritischen Ergänzungen und Bemerkungen sollten auf der Internetseite musilonline.at auffindbar sein. Unterdessen ist es so, dass der Editionsplan…