A. L. Kennedy: Also bin ich froh

Die Schriftstellerin wurde vor kurzem mit dem „Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln“ ausgezeichnet (von diesem Preis hatte ich zuvor noch nie gehört), die Empfehlung, etwas von ihr zu lesen, liegt hingegen schon länger zurück. Die Wahl war weitgehend zufällig, Kriterien: Nicht allzu umfänglich und ein mit meinen müden, alternden Augen verträgliches Schriftbild.

Es ist ein Roman, der die Herzen von Literaturkritikern wohl höher schlagen lässt. Die gesamte Konstruktion mutet ziemlich abstrus an und der geneigte Leser muss sich nach Beendigung seiner Lektüre auf Sinnsuche begeben – was wurde ihm da erzählt und mit welcher Intention (ich gesehe freimütig, dass ich dieses Rätsel für mich nicht lösen konnte). Selbstverständlich lassen sich solche Interpretationen finden – aber man kann auch eine Gebrauchsanleitung für Staubsauger auf fundamental-ontologische Aussagen abklopfen. Das scheint – mir – aber nicht der Sinn von Literatur zu sein, auch wenn man mit dergleichen seine Brötchen zu verdienen imstande ist.

Eine etwa 30jährige Nachrichtensprecherin erzählt von sich und von der einschneidenden Begegnung, die ihr widerfahren ist. Sie schildert sich selbst als weitgehend gefühlskalt und emotionslos, in Gesprächen mit anderen muss sie sich ihrer Vernunft bedienen, um adäquat reagieren zu können, den Erwartungshaltungen zu entsprechen. (Wohlgemerkt, das ist die Selbstbeschreibung, aus der Handlung, dem Agieren der Person hätte ich diesen Schluss nicht gezogen.) Ihre Sexualität lebt sie allein für sich oder aber in sado-masochistischen Praktiken aus (ihre kurzzeitige Beziehung zu einem devoten Kollegen endet im Desaster, als sie ihn windelweich prügelt). In ihrer Kindheit war sie gezwungen, den Eltern beim Sex zuzusehen, hier scheint eine der Ursachen für ihr Verhalten (psychoanalytisch) versteckt zu sein. Gemeinsam mit drei anderen Personen wohnt sie in einem Haus (ihre Eltern starben früh bei einem Verkehrsunfall), die Beziehung der Bewohner sind kaum freundschaftlich zu nennen, eher eine Zweckgemeinschaft.

Als Pete für mehrere Monate ins Ausland geht, wird dessen Zimmer neu vermietet – doch der neue Untermieter scheint nicht der angekündigte Martin zu sein, sondern eine seltsam aus der Zeit gefallene Person. Er hat sich offenbar selbst nackt in diesem Zimmer wiedergefunden, er „leuchtet“ (besser – seine Körperflüssigkeiten senden eine Art Glanz aus) und hat offenbar Angst: Diese Welt ist nicht seine Welt. Jennifer (die Erzählerin) findet langsam Zugang zu dieser seltsamen Erscheinung; irgendwann gesteht ihr der Mann, dass er Savinien Cyrano de Bergerac sei. Der aus der Zeit gefallene Dichter stellt sich als ein schwieriger Un-Zeitgenosse dar, nach einem Streit verlässt er das Haus und kehrt nach mehr als einem Jahr drogensüchtig zurück. Kalter Entzug – und dann finden die beiden endlich zueinander, Savinien findet Gefallen an Gartengestaltung, doch sein ehemaliger Dealer kehrt mehrfach des nächtens zurück, um diesen Garten zu zerstören, weshalb sich Savinien und der Vandale um Mitternacht im Park ein Duell liefern, das der Dichter für sich entscheidet. Nun könnte alles gut sein (wenngleich hier ein Maß an Abstrusität erreicht wird, das eher schwer (v)erträglich ist), aber nun geht’s ans Träumen: Beide nämlich sehen im Traum dasselbe, hohe Bäume und Savinien (und Jennifer) verstehen den Wink des Schicksals: Sie müssen nach Frankreich reisen an den Ort, wo Savienen vor rund 350 Jahren gestorben ist (ich als Leser hatte es zu diesem Zeitpunkt längst aufgegeben, einen rationalen Faden in der Geschichte zu entdecken). In Paris ärgert sich Savinien Cyrano de Bergerac noch über die postume Bearbeitung seiner Werke durch Henri Lebret, seinen Jugendfreund, um am Ort seines Grabes (von dem die beiden in trauter Eintracht geträumt haben) zwischen Steinen und Erde zu versinken, einzig das Bündel seiner Kleider bleibt zurück.

Eingestreut in diese Handlung sind Anspielungen auf die politische Situation der Gegenwart (Großbritannien 1990er Jahre), dies wirkt disparat, ist aber belanglos: Weil das ganze Buch den Eindruck macht, frei assoziiert worden zu sein ohne jede Rücksicht auf Sinn, Handlungszusammenhang. Wie gesagt – es ist ein Leichtes, dem eine tiefsinnige Interpretation zugrunde zu legen. Aber mir scheint, dass dies schon zu viel des Guten wäre, selbst eine solche Fingerübung hat der Roman nicht verdient. Dass es immer wieder Absätze gibt, die durchaus witzig sind, dass die Autorin Sprachgefühl besitzt, sei zugestanden: Aber um diesen Wust von Seltsamkeiten und sinnfreien Konstrukten anregend oder gar geistreich zu finden, muss man schon einen eher bizarren Literaturgeschmack sein eigen nennen.


A. L. Kennedy: Also bin ich froh. Berlin: Wagenbach 2004.

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