Ida Pfeiffer: Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Als sich Ida Pfeiffer im Frühling 1842 in Wien von ihren Freunden und ihrer Familie verabschiedete und alleine ein Dampfschiff Richtung Pest bestieg, wussten weder sie noch die, von denen sie gerade Abschied nahm, dass in diesem Moment eine große Karriere als Reiseschriftstellerin und Weltreisende den Anfang nahm. Ja, Freunde und Familie wussten nicht einmal, wohin Ida Pfeiffer tatsächlich zu reisen beabsichtigte. Ihnen allen hatte sie erzählt, dass sie in ihrem Leben einmal Konstantinopel gesehen zu haben wünschte. Für eine alleine reisende Frau war das – zumal, wenn man die politische Situation noch einbezog – schon ein gewagtes Unternehmen. In Tat und Wahrheit aberbeabsichtigte Ida Pfeiffer von Anfang an, das Heilige Land zu besuchen. Ob sie damals schon plante, auf einem anderen Weg zurückzukehren, als sie hinfuhr, weiß ich nicht. Jedenfalls war es dann so: Der Hinweg führte sie über das Schwarze Meer, Konstantinopel (wie Istanbul damals noch hieß), der Küste der heutigen asiatischen Türkei entlang nach Rhodos (wo sie sich den antiken Koloss imaginieren konnte) und Zypern (gegen ihren Willen, die damaligen Kapitäne von Dampf- wie von Segelschiffen machten Halt, wo es ihnen gerade einfiel, sofern die Reisenden nicht für einen anderen Weg bezahlten).

Das mit dem Bezahlen aber war bei Ida Pfeifer so eine Sache. Zwar stammte sie aus einer nicht gerade armen Kaufmannsfamilie. Sie wuchs in Knabenkleidern als siebter Jungen zusammen mit sechs Brüdern auf – etwas, das der Vater nicht nur tolerierte, sondern aktiv unterstützte. Im Scherz versprach er ihr, er werde sie später zum Offizier ausbilden lassen. Sie machte sich dieses Rollenbild ganz zu eigen, war sportlich und unternehmungslustig. Puppen hatten für sie keinerlei Reiz. Schon als Kind las sie mit Vorliebe Reiseberichte und träumte davon, an Expeditionen teilzunehmen und ferne Länder zu sehen.Als aber der Vater starb und die völlig anders geartete Mutter die Erziehung übernahm, änderte das Regime beträchtlich. Ida, an Unabhängigkeit gewöhnt, sollte plötzlich zu einer Hausfrau und zukünftigen Dienerin an ihrem Gatten erzogen werden. Sie reagierte störrisch, verliebte sich zuerst in ihren Hauslehrer und heiratete dann, als dieser auf Grund seiner Mittellosigkeit als ungeeignete Partie von der Mutter verworfen wurde, den 24 Jahre älteren Advokaten Pfeiffer. Was wie eine Vernunftehe aussah, entwickelte sich völlig anders. Teils aus eigenem, teils aus fremdem Verschulden verlor der Advokat nicht nur sein eigenes Geld, sondern auch die nicht unbeträchtliche Mitgift seiner Frau. Aus der Armut, in der die unterdessen von ihrem Mann getrennt lebende Ida endgültig zu versinken drohte, rettete sie nur ein rechtzeitig eintreffendes Erbe ihrer Mutter. Sie war zwar nun nicht reich, aber doch so gut situiert, dass sie ihren beiden Söhnen ein Studium finanzieren konnte. 1842 aber waren diese selbständig und am 22. März brach die 44-Jährige zu ihrer Reise auf. (Dass noch zwei Weltreisen folgen würden, konnte damals niemand wissen – nicht einmal sie selber.)

Im Heiligen Land besucht sie alle Stätten, die man den (christlichen) Pilgern halt so zeigte, und deren Heiligkeit meist mehr auf mündlicher Überlieferung denn auf wissenschaftlich gesicherten Fakten beruhte. Ida Pfeiffer war sich dessen ziemlich sicher sehr wohl bewusst. Ein oder zwei Mal markiert sie selber im Text mit einem Fragezeichen ihre Zweifel an dem, was ihr präsentiert wird. Im Übrigen aber schweigt sie sich – zumindest im veröffentlichten Text – darüber aus. Sie notiert, ohne zu urteilen.

Dass wir von ihrer Reise wissen, verdanken wir dem Umstand, dass sie unterwegs ein Tagebuch führte, das sie nach ihrer Rückkehr nur geringfügig überarbeiten und dann dem Druck überantworten sollte. In zwei Bänden beschrieb sie größere und kleinere Abenteuer, wie sie einer allein reisenden Frau im Orient zustoßen konnten. Sie erlebte allerdings keine Überfälle oder Entführungen (und hielt die Reisenden, die mit solchen Berichten aus dem Nahen Osten zurück kehrten, ganz einfach für Lügner und Aufschneider), aber sie machte Hitze und Durst durch, kleine Taschendiebstähle und, vor allem, immer wieder die Not, eine günstige Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Das alles schildert sie in recht trockenen Worten, erwähnt dankbar Hilfsbereitschaft von Fremden (Einheimischen wie Europäern), notiert anklagend, wenn ihr Europäer (und nur diese!) nicht weiterhelfen, insbesondere, wenn es sich dabei um diplomatische Vertreter ihrer Heimat Österreich handelt. Sie sieht und schildert Schmutz und Ungeziefer, ekelt sich davor, scheut aber trotzdem den körperlichen Kontakt vor allem mit den einheimischen Frauen und Kindern nie. Im Übrigen wusste sie sich im Falle eines Falles auch resolut zu wehren, wenn sie merkte, dass jemand sie übervorteilen wollte.

Die Heimreise übrigens unternahm Ida Pfeiffer über Kairo und danach Italien. Der ägyptische Teil figuriert noch in meiner Auswahl der Bibliothek Klassischer Reiseberichte, den zweiten Teil hat man weggelassen – wohl, weil alle Texte der Sammlung in etwa denselben Umfang haben sollten.

Ihr Buch über die Reise in das Heilige Land veröffentlichte sie 1843 anonym unter dem oben angegebenen Titel. Es war ein sofortiger Erfolg, aber erst für die vierte Auflage von 1856 lüftete sie das Anonymat offiziell. Zu dieser Auflage stellte dann auch der alte Alexander von Humboldt im Stil eines Empfehlungsschreibens ein kleines Vorwort zur Verfügung. Sie war damals bereits eine große Weltreisende, ein Star am literarischen wie am geografisch-wissenschaftlichen Himmel. Zumindest ersteres ist sie bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geblieben; danach verfiel sie abrupt der Vergessenheit – etwas, das man schleunigst wieder ändern sollte.

Ida Pfeiffer hielt später selber in ihrer Autobiografie fest, dass sie nie zu den Reisenden gehörte, die mit Geld um sich werfen konnten wie zum Beispiel Chateaubriand (von ihm weiß ich es nicht) oder Pückler-Muskau (was sicher nur teilweise stimmt – er steckte viel von seinem Geld in seine Gartenanlagen und hatte zeitweise nur wenig zum Leben). Ob sich umgekehrt Karl May, dessen Kara Ben Nemsi sich ungefähr zur Zeit der Pfeiffer im Orient aufgehalten haben muss, durch sie inspirieren ließ, kann ich nicht beurteilen. Sie hatte, wie schon gesagt, keine wirklichen Abenteuer erlebt, auch nicht, obwohl sie durch einige Pest-geplagte Länder reiste, sich mit dieser Krankheit angesteckt. (Dafür schildert sie einige Male ziemlich ungehalten die Unbequemlichkeiten, in die sie die wiederkehrenden Quarantänen stürzten, wenn sie irgendwo einreisen wollte.)

Was man zusammenfassend über das Buch sagen kann, hat Ida Pfeiffer selber als Abschluss ihres Reisebuchs geschrieben:

Ich bin keine Schriftstellerin, ich habe nie etwas anderes als Briefe geschrieben, mein Tagebuch kann daher nicht als literarisches Werk betrachtet werden. Es ist eine einfache Erzählung, in der ich alles beschreibe, wie es mir vorkam; es ist eine Sammlung von Notizen, die ich anspruchslos niederschrieb, um mich immer an das Gesehene zu erinnern, und von denen ich nie glaubte, daß sie den Weg in die große Welt finden würden; darum ersuche ich alle meine geneigten Leser und Leserinnen um gütige Nachsicht, denn ich wiederhole es noch einmal: ferne ist mir der Dünkel, mich in die Reihen jener geistreichen Frauen drängen zu wollen, denen schon in der Wiege der Weihekuß der Musen ward.

Doch gerade diese Anspruchslosigkeit und das Unprätentiöse des Stils machen, dass man das Buch auch heute noch lesen kann.

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