Arno Holz: Des Schäfers Dafnis Fress-, Sauf- & Venus-Lieder

Auch wenn das schmale Büchlein noch in diesem Jahrtausend (2001) und in einem renommierten Verlag (Haffmanns) eine Neuauflage erlebt hat: Es kann allenfalls noch bei literaturhistorisch Interessierten Aufmerksamkeit erwecken oder verlangen. Daran ändert auch das kluge Nachwort des Herausgebers Burkhard Moennighoff nichts. Der Autor Arno Holz (1863-1929) hatte seine große Phase an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Von den Werken jener Zeit kann man den Phantasus auch heute noch mit Gewinn lesen – was aber er 1904 hier geliefert hat, ist allzu zeitbedingt.

Unter der Maske eines barocken Schäfers namens Dafnis, der natürlich kein Schäfer ist, sondern ein Studiosus der Theologie, der sich als Schäfer geriert – unter dieser Maske also bringt Holz genau das, was der Titel meiner Ausgabe suggeriert: Fress-, Sauf- und Venus-Lieder. Das Ganze in einem nicht übel nachgeahmten barocken Deutsch. Das ist leider auf Dauer mehr ermüdend als interessant. Zur Zeit ihres Ersterscheinens waren diese Gedichte insofern revolutionär, als für den Bildungsbürger (und damit für die Literatukritik) die deutsche Literatur eigentlich erst mit Goethe und Schiller begann. Allenfalls wäre da noch Lessing vorher. Noch Älteres galt als überladener Kitsch.

Holz zeigt nun in diesen Gedichten, dass zum einen die Sprachgewalt der barocken Lyrik nicht unterschätzt werden darf, zum andern, dass es mehr gibt als die allzu verkopft rezipierten Klassiker, die offenbar nur Hirn und Seele und Geist waren und keinen Körper hatten, der seine eigenen Bedürfnisse hatte. Und auch wenn Dafnis diese Bedürfnisse nun im Übermaß befriedigt – er tut es mit dem schelmischen Bewusstsein, dass ihn der Bürger des ausgehenden 19. Jahrhunderts zwar offiziell in Acht setzen werde, ihn aber inoffiziell beneide. (Ist er ja doch eben selbst in seiner Rolle als Dafnis kein Schäfer, ja nicht einmal mehr der Studiosus der Theologie, sondern ein seit langem wohl bestallter Pfarrer, der allenfalls mal heimlich in seinen alten Tagebüchern blättert.)

Das ist alles gut und schön. Aber nicht nur, dass vieles in Holz’ Gedichten weniger dem Barock und mehr der tändelnden Anakreontik des Rokoko gleicht (bis hin zur Sprache mit vielen Diminutiven), dass – schlimmer noch – Holz seinen Pseudo-Barock nicht zu transzendieren und in die Moderne überzuführen vermag, also bei reiner Imitation bleibt – diese Schwächen hatte das Büchlein schon bei seinem Erscheinen. Für uns im 21. Jahrhundert aber kommt hinzu, dass unterdessen Literaturwissenschaft wie -kritik die barocke Epoche längst als wichtigen Teil der Entwicklung der Literatur anerkannt haben – auch jenseits von Shakespeare. Wir haben heute nicht nur eine Vorstellung vom Barock; diese Vorstellung ist auch genauer als die, die Holz hier suggeriert. Sein Angriff, zur letzten Jahrhundertwende sicher gerechtfertigt, verpufft für uns Heutige im luftleeren Raum. Was bleibt, ist eine Sammlung von sich in Form und Inhalt leider allzu oft immer wiederholenden Gedichten zu immer denselben Themen, mit immer denselben Bildern, die als Highlight einzig ein paar sehr fein gelungene Reime kennt. Nur auf Grund seiner Kleinheit hat das Buch bei mir ein paar Umzüge überlebt. Nun aber werden sich unsere Wege trennen.

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