Sebastian Brant: Das Narrenschiff

Twitter hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass sich diese Woche (genauer am 10. Mai) der Todestag von Sebastian Brant zum 500. Mal jährt. Wir lassen hier bei Seite, dass ein Datum knappe 60 Jahre vor der gregorianischen Kalenderreform astronomisch gesehen nicht dem gleichen Datum nach dieser Reform entspricht. 500 Jahre sind es auf jeden Fall nun her, seit Brant verstorben ist – ein paar Tage machen hierbei nun keinen Unterschied.

Brant ist bekannt geworden durch ein einziges Buch, das hier vorliegende Narrenschiff. In 112 Kapiteln stellt der Autor menschliches Fehlverhalten an den Pranger. Diese Kapitel weisen alle den gleichen Aufbau auf: Sie beginnen mit einem drei- oder vierzeiligen Motto als einer Art Überschrift. Es folgt der Holzschnitt, der die in diesem Kapitel angeprangerte Narrheit illustriert. Diese Holzschnitte wurden speziell für dieses Buch angefertigt und nehmen auf den Text genauen Bezug; sie wurden also offensichtlich in Kenntnis des Textes geschnitten. Man nimmt an, dass die meisten vom „Meister der Bergmannschen Offizin“, die Offizin ein Zulieferer des Buchdruckers, erstellt wurden, und man nimmt an, dass dieser Meister mit dem jungen Albrecht Dürer identisch sein könnte. Auch die Marginalien sind mit Holzschnitten versehen. Der Text, in Form eines Spruchgedichts, umfasst in der Regel 34 meist jambische Verse. Somit passt im Idealfall die Schilderung einer Narretei genau auf zwei Druckseiten, die linke und dann die rechte, und als LeserIn hat man die ganze Narretei auf einmal vor Augen. Ein paar Narreteien werden allerdings auf drei oder vier Seiten geschildert, wodurch sich das mit der Zeit verschiebt. Immer aber beginnt eine neue Narrheit auf einer neuen Seite.

Ein Narr wiederum ist bei Brant mehr als nur ein dummer, aber im Grunde genommen harmloser Mensch. Das ist er auch, und Brants Schilderungen des Kleidung eines Narren, mit seiner Kappe mit den Schellen und den Eselsohren – wie er auch in jedem Holzschnitt präsentiert wird – haben unser heutiges Bild des Narren sicher mitgeprägt. Aber der Narr ist für Brant vor allem ein sittlich-moralisch völlig verkommenes Wesen. Er verstößt wider besseres Wissen gegen offensichtliche menschliche Pflichten und Einsichten. Nur letzteres kann erklären, warum er zum Beispiel auch Muslime als Narren bezeichnet: Sie verwerfen nämlich wider besseres Wissen die Einsicht, dass einzig das Christentum die richtige Religion darstellt. Brant nämlich ist zwar ein früher Vertreter des deutschen Humanismus; er ist aber immer noch und vor allem eines: gläubiger Christ.

Unter den Torheiten, die Brant geißelt, finden sich viele, die man auch heute noch als solche bezeichnen könnte und bezeichnet findet, ob nun in der Kindererziehung, der Mode, der Musik, der Religion oder … oder … oder … Sich selber nimmt er nicht aus, stellt sich sogar gleich an den Anfang, als Besitzer einer Bibliothek mit vielen Büchern, die er gar nicht versteht. Es ist konservative Kulturkritik vom Feinsten, was wir hier finden – eine Warnung davor, bei seinen Tätigkeiten und Liebhabereien in Extreme zu verfallen. Weder Geiz noch Habsucht sind zu loben; es ist letzten Endes die aristotelische Mitte, die Brant predigt. Aristoteles ist denn auch eine der Idealgestalten aus der Antike, die er uns hinstellt – neben Diogenes, Vergil und (natürlich und vor allem!) Sokrates. Diese antiken Denker und das memento mori, der Gedanke, dass vor dem Hintergrund der menschlichen Sterblichkeit alle irdischen Tätigkeiten Schall und Rauch sind, prägen das Narrenschiff.

Das Buch gilt zu Recht als eine der wichtigen Satiren menschlichen Wirkens und kann auch heute noch gelesen werden. Brant, hierin wirklich bereits Humanist, bezieht sich nur selten auf die christliche Moral, auch wenn sein Weltbild eindeutig ein konservatives ist.

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