Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey

Das 17. Jahrhundert war die Zeit, als sich (abermals) eine deutschsprachige Literatur zu formen begann. Dafür waren zwei Dinge / Ereignisse vonnöten. Zum einen musste eine gemeinsame sprachliche Grundlage gelegt sein, zum andern musste sich die Dichtkunst vom Odium befreien, einfach nur Lügengeschichten zu erzählen (was über Jahrhunderte der Vorwurf nicht nur der katholischen Kirche war). Es war vielleicht Zufall, dass es ausgerechnet Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey war, das gleich beides hinkriegte – denn Problem wie Lösung lagen gewissermaßen in der literarischen Luft der Zeit.

Doch es war nun einmal Opitz, und es war sein Buch von der Deutschen Poeterey. Zwei Probleme will der Autor behandeln und dementsprechend finden wir zwei Teile in seiner Abhandlung. Zunächst geht er die Frage der Lügengeschichten an. Unter Rückgriff auf Vergil und vor allem Horaz – dessen prodesse et delectare Opitz adoptiert – argumentiert der Deutsche im ersten, deskriptiven Teil dahingehend, dass Literatur nicht nur erfreut, sondern eben auch nützlich ist, indem sie die Wahrheit mindestens so gut wie, nein besser noch als die Philosophie zu schildern im Stande ist. (Dabei hat Opitz hier noch nicht einmal die Epik im Fokus. Es geht ihm beim Begriff der Poeterey – die folgenden Kapitel zeigen es – vorwiegend um die Lyrik.)

Es folgt das Problem der Sprache. Hier wird die Ausrichtung auf die Lyrik ganz markant. Man hatte sich zu jener Zeit in der Dichtkunst schon auf eine oberdeutsche Variante als gemeinsame Sprache der Literatur geeinigt, eine Variante, die in Anlehnung an die sächsische Kanzleisprache entstanden war (und die wiederum natürlich Luthers Bibelübersetzung ihre Existenz verdankt). Doch vor allem in der Lyrik behandelte man diese Sprache oft noch recht rücksichtslos. Sich an der französischen Lyrik (vor allem an Ronsard) orientierend, formuliert Opitz nun ganz konkrete Regeln:

Auslautendes ‘e’ soll weggelassen werden, wenn es mit dem folgenden Wort zu einem Hiatus kommt.
Es soll aber nicht einfach weggelassen werden, nur weil sonst das Versmaß nicht stimmt.
Als Versmaß empfiehlt Opitz primär den Alexandriner (dies gegen Ronsard!).
Auch Sonett oder Quatrain sind empfohlen (dies wiederum in Übereinstimmung mit dem Franzosen).
Vor allem aber soll der Rhythmus der deutschen Sprache auch im Versmaß eingehalten werden.

Die von Opitz empfohlenen Versmaße sollten für die ganze Barock-Lyrik verpflichtend werden. In Bezug auf den sprachlichen Rhythmus war Opitz einer der ersten, der erkannte, dass die antike Metrik, die auf Längen und Kürzen beruhte, und die auch im Französischen noch so nachgebildet wurde, die deutsche Sprache vergewaltigt. Hier sind es betonte und unbetonte Silben, die die Rolle der Längen und Kürzen der antiken Metrik übernehmen. Das wurde im Deutschen zunächst ebenso gehandhabt, was nach heutigem Empfinden in einem unsäglichen Rhythmus endet. Doch Opitz’ Einfluss war derart groß, dass nach anfänglichem Zögern auch seine Konkurrenten die neuen metrischen Regeln übernahmen.

Die barocke (und damit letztendlich die deutsche) Lyrik hätte sich auch ohne Opitz in die Richtung entwickelt, in der sie es tat, ohne Zweifel. Aber Opitz und dieses kleine Büchlein hier haben die Entwicklung ebenso ohne Zweifel beschleunigt. Heute ist der Text allerdings ‘nur’ noch von literaturgeschichtlichem Interesse.


Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Herausgegeben von Cornelius Sommer. Stuttgart: Reclam, 1977. (= RUB 8397)

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