Vernor Vinge: A Fire Upon the Deep [Ein Feuer auf der Tiefe]

Künstlerische Darstellung von zwei sich im Weltall kreuzenden Raumschiffen. Ausschnitt aus Buchcover.

Auch dieses Buch hat scheichsbeutel vor rund vier Jahren in diesem Blog schon einmal vorgestellt. Ich kann seinen Worten wenig hinzufügen, denn A Fire Upon the Deep ist tatsächlich eine sehr kluge Geschichte. Zugegeben: Die Physik von Vinges Milchstraße hier ist ein wenig seltsam und gewöhnungsbedürftig, auch dürfte kaum eine Chance auf eine reale Existenz der verschiedenen zones of thought („Denkzonen“ – meine Übersetzung) bestehen, denn zu seltsam ist es doch, dass verschiedene Naturgesetze in verschiedenen Bereichen unserer Galaxie herrschen sollen, zugleich aber offenbar die Milchstraße in der uns bekannten äußeren Form existiert. Aber, und hier muss ich scheichsbeutel zustimmen, Vinge bringt das nicht nur als hübsches Gedankenexperiment vor: Die verschiedenen Denkzonen sind konstituierend für die Geschichte. Sowohl der Beginn des Problems, wie seine Entwicklung und nun gar die Lösung basieren auf der Tatsache, dass in Vinges Universum bzw. seiner Milchstraße diese seltsamen Gesetze herrschen.

Auch die auf Deutsch offenbar als „Pest“ übersetzte böse Macht, die auf Englisch Blight oder Perversion genannt wird und deren genaue Existenzform nie bekannt wird, ist gut gezeichnet in ihrer Begierde, sich alles – Computer, Kommunikationsnetze wie Lebewesen – untertan zu machen. Nur woher ihr dieser Drang kommt, erfahren wir nie.

Das Kommunikationsnetz dieser Galaxis ähnelt, mutatis mutandis, dem Usenet, wie es zur Zeit des Erscheinens des Romans noch existierte. Es ist offenbar nur die Überlieferung von Text möglich (allerdings auch kursiv ausgezeichnetem!) und es gibt verschiedene News-Gruppen. Und wie heute zum Beispiel bei Twitter, finden wir seriöse Nachrichtenquellen ebenso wie Trolle, die das Netz der Lügen bevölkern.

À propos Völker: Am besten gefallen haben mir im ganzen Roman Vinges Aliens. Da sind die Rider, pflanzenartige Wesen, die sich nur fortbewegen können, weil sie (oder wenigstens ein paar von ihnen) in eine Art Blumentopf mit Rädern versetzt worden sind – einen Blumentopf, der zugleich ihr Kurzzeitgedächtnis darstellt. Dieser Blumentopf ist ihnen vor Urzeiten von einem unbekannten Wohltäter zur Verfügung gestellt worden. (Es stellt sich im Laufe der Geschichte heraus, dass dieser Wohltäter die Perversion ist, die Rider also eine Art ‚Schläfer‘ darstellen, weil das Böse sie jederzeit aktivieren und zu seinen Zwecken verwenden kann. Was nun auch zu neuen Spannungen innerhalb jener Crew jenes Schiffes führt, das als einziges das Mittel besitzt – zumindest indirekt – um der Perversion den Garaus zu machen. Ein cleverer Schachzug von Vinge.) Last but not least sind da jene hundeartigen Wesen, die, wenn sie als Rudel von vier bis acht Personen auftreten können, über eine Art Schwarmintelligenz verfügen. Sind es mehr oder weniger Mitglieder in einem Rudel, sinkt die Intelligenz wieder rapide. Da sie über eine gewisse Nähe verfügen müssen, um im Rudel kommunizieren zu können, ist es ihnen außer im Krieg und in der Liebe unmöglich lange beieinander zu stehen, wenn sie nicht zum selben Rudel gehören, weil dann ihre Gedanken konfus werden und sie temporär den Verstand verlieren. (Das passiert natürlich auch im Krieg und in der Liebe, aber da ist das quasi Teil des Spiels.) Deshalb sind ihre Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bei aller Intelligenz reduziert. Erst die Anwesenheit von rund 150 Menschen, die sich zum Schluss auf ihrem Planeten gestrandet finden, eröffnet neue Möglichkeiten, indem in einer Art intellektueller Symbiose zwischen Mensch und Liner (so heißen die hundeartigen Wesen im Englischen) die Nachteile von jeweils Einzel- und Gruppenwesen kompensiert werden können. Ja, man beginnt bereits davon zu träumen, dass es sein könnte, dass diese neue ‚Lebensform‘ eines Tages – wie so viele andere Lebensformen vor ihr – ins Transzenz übergehen könnte – jene äußerste Schicht der Milchstrasse, die völlig andere Naturgesetze kennt, und deren Lebensformen selbst den intelligentesten Rassen der unteren Teile der Milchstrasse so fremd sind, dass sie ihnen wie Götter vorkommen.

Science Fiction vom Feinsten – intelligent und spannend bis zum Schluss.

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