Unter dem Pseudonym Salomon von Golaw veröffentlichte Friedrich von Logau 1638 Zwei hundert teutscher Reimsprüche, eine Sammlung von so genannten Sinngedichten. Diese Sammlung sollte er bis 1654 sukzessive erweitern und in diesem Jahr schließlich als Salomons von Golaw deutscher Sinn-Getichte drei Tausend sozusagen eine Ausgabe letzter Hand in drei Bänden vors Publikum bringen. Er starb 1655 und mit seinem Tod verstummte auch rasch das doch relativ große Echo auf seine Gedichte. Das blieb so, bis Gotthold Ephraim Lessing 104 Jahre nach Logaus Tod eine Ausgabe in 12 Bänden herausbrachte und Logau abermals zu einem Namen in der deutschen Literatur machte. Dieses Mal sollte Logaus Berühmtheit etwas länger anhalten; noch 1855, als Gottfried Keller die ersten Kapitel davon niederschrieb, war er jedenfalls noch bekannt genug, um als eine Art Pate für den Roman (oder ist es doch eine Novellensammlung?) Das Sinngedicht stehen zu können.
Irgendwann ist Logau dann aber doch wieder aus der Mode gekommen; zur Zeit meines Studiums jedenfalls kannte man von ihm nur noch das die Rahmenerzählung von Kellers Sinngedicht bestimmende Epigramm Wie willst du weiße Lilien zu roten Rosen machen? Küß eine weiße Galathee, sie wird errötend lachen! 1943 aber waren Logaus Epigramme noch bekannt genug, um in einer Auswahl, in einer Anthologie, die ich hier näher vorgestellt habe, eingefügt zu werden. Zwar finden wir da ein alphabetisches Verzeichnis der aufgenommenen Sinngedichte, aber weder ein Vor- noch ein Nachwort geben Auskunft über die Auswahlkriterien. Je nun – um Logau kennen zu lernen, genügt das hier Vorliegende bereits.
Schon rasch fällt bei der Lektüre auf, dass Logau den Begriff ‚Epigramm‘ in einem sehr weiten Sinn fasst. Wir finden zwar einige satirische, mit einer treffenden Pointe versehenen Sinngedichte, aber auch welche, die in schon fast anakreontischer Manier eine Landschaft beschreiben. Welche über den Krieg fehlen auch nicht, die weisen oft ein pessimistisches Weltbild ohne Pointe auf. Wer will es Logau verübeln – er hat selber zu viele Kriege erlebt. Sprachlich ist Logau manchmal schwierig zu verstehen; schlesische Provinzialismen oder eigentümlich Wort- und Satzkreationen bringen einen des öfteren zum Stolpern beim Lesen.
Von der klassischen Trias der Gebrauchslyrik – „Wein, Weib und Gesang“ (und nein, der Spruch ist bei Luther nicht zu finden) – finden wir den Gesang zunächst einmal gar nicht (man ergänze bei solchen Aussagen bitte immer: „in der vorliegenden Ausgabe“; ich habe nicht alle 3‘000 Sinngedichte des Logau gelesen). Der Wein wird oft metaphorisch verwendet, indem Logau jungen Wein mit jungen Menschen (Männern) vergleicht, deren Wesen und Ratschläge zwar oft süß klingen, aber bei zu heftigem Genuss gerne Bauchweh verursachen. Beim Thema „Frauen“ schlägt die bei Epigrammen lange Zeit offenbar notwendige Misogynie der Dichter (es waren ja alle Männer!) durch. Selbst biblische Gestalten werden für diese Misogynie herangezogen. Diverse Sinngedichte, die von Job (also: Hiob) handeln, tun dies, indem sie sich auf seine Frau beziehen. So wundert sich der Dichter zum Beispiel, dass, als Hiob alles eingebüßt hatte, ihm seine Frau gelassen wurde, und fragt sich, ob das eventuell deshalb gewesen sei, weil er (Hiob) diese seine Gemahlin nicht geliebt habe. Ebenfalls fällt dem Dichter auf, dass später, als Hiob seine Habe doppelt zurück kriegte, seine Frau nicht verdoppelt wurde, woraus der Autor schließt, sie müsse wohl doch eher eine Strafe für den alten Mann gewesen sein. Im Übrigen finden wir auch die üblichen moralischen Feststellungen der Zeit über Verbrechen, Armut etc. etc.
Fazit: In einer Auswahl wie der vorliegenden, ist Logau sicherlich ein Autor, den man auch heute noch lesen kann – allerdings nicht muss. Und 3‘000 solcher Epigramme möchte ich nun wirklich nicht lesen müssen.
PS. Ausgerechnet das einzige heute noch (via Gottfried Keller) bekannte Sinngedicht, Frage , erscheint in meiner Auswahl nicht …
Wie wilstu weisse Lilien zu rothen Rosen machen?
Sinngedichte III, 10, 8
Küß eine weisse Galathe: sie wird erröthet lachen.
(Wer für Keller das Partizip Perfekt in ein Partizip Präsens umgewandelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.)