Hegels Versuch, das Seiende mit dem Wahren (oder Guten) gleichzusetzen, mündet in abstruser Begriffsbeliebigkeit (man weiß im Grunde auch nie, was er unter bestimmten Begriffen versteht). Schnädelbach zitiert nun Hegel offenkundig in der Absicht, den Übergang von theoretischer und praktischer zu absoluter Idee (was immer das auch sein soll*) zu verdeutlichen: „Die Wahrheit des Guten ist damit gesetzt, als die Einheit der theoretischen und praktischen Idee, daß das Gute an und für sich erreicht, – die objektive Welt so an und für sich die Idee ist, wie sie zugleich ewig als Zweck sich setzt und durch Tätigkeit ihre Wirklichkeit hervorbringt. – Dieses aus der Differenz und Endlichkeit zu sich zurückgekommene und durch die Tätigkeit des Begriffs mit ihm identisch gewordene Leben ist die spekulative oder absolute Idee.“ (Zeichensetzung sic, ich bin mir nicht sicher, ob sich da nicht aufgrund des Geschwurbels ein paar Fehlerchen eingeschlichen haben.) Hier eben setzt meine Kritik an Schnädelbach ein: Wie kann man solche Sätze zitieren und beim Leser (das Buch ist ursprünglich als Einführung für englischsprachige Studenten gedacht gewesen) Verstehen erwarten? Man müsste zumindest um die – m. E. – völlig konfuse Konzeption der theoretischen Idee (das Erkennen), der praktischen Idee (das Wollen) wissen, wobei letztere für das Seiende prägend wird. Usf. (Nicht zu vergessen, dass Identisches sich differenziert und Unterschiedenes wieder eins, ident wird.) Das soll nun kein Quark sein, den man nicht beiseite schieben sollte?
Oder Hegels Naturwissenschaft, über die alle Naturwissenschaftler nur noch den Kopf schütteln konnten. Hegel hatte nicht die geringste Ahnung von irgendeinem naturwissenschaftlichen Fachgebiet, hat sich aber über alles und jedes ausgelassen und zum Teil derart abstrusen Blödsinn produziert, dass es die abenteuerlichsten Versionen sogar in die Wikipedia geschafft haben: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_Friedrich_Hegel#Naturphilosophie_3 – wirklich lesenswert, was er da an tiefsinnigem Medizinwissen von sich gibt.
Aber – und das ist der für mich entscheidende Punkt: Hegel (oder auch Heidegger, Habermas etc.) tragen Schuld daran, dass man Philosophie mit solch dämlichen Texten verbindet, ja gleichsetzt und sie dadurch in Verruf gerät. Ich habe mich zeitlebens bemüht, das Spannende, Interessante, Faszinierende an der Philosophie zu vermitteln, die Lust am Denken, am Verstehen, an der Einsicht in logische Zusammenhänge, die Freude am Durchschauen. Und wurde zu Recht oft mit Texten konfrontiert nebst der Frage, was denn das bedeuten solle und wenn es denn wirklich Bedeutung habe, ob man denn dann diese Bedeutung nicht verständlicher darstellen könnte. Ja, kann man – wenn dem Ganzen wirklich Ideen zugrunde liegen. Und nein, kann man nicht, wenn es sich bloß um die Selbstbeweihräucherung vermeintlich kluger Denker handelt. Im Gegenteil: Jedem Lesenden sollte klar sein, dass das Maß an Unverständlichkeit meist mit der Inhaltslosigkeit** korreliert. Was nicht bedeutet, dass man alles und jedes in simplen Sätzen ausdrücken kann, dass komplizierte Sachverhalte nicht häufig mehrfaches Lesen erfordern. Ein einfacher Text kann genauso gedankenlos sein wie ein verschwurbelter: Der Vorteil besteht darin, dass man – diese Einfachheit vorausgesetzt – um den Nonsens weiß. Während Leute wie Hegel, die erwähnten Heidegger, Habermas oder Postmoderne jeder Couleur wie Kristeva, Lyotard, Foucault oder Lacan (Psychoanalytiker – was soll man da erwarten) ihre Einfalt hinter unverständlichen Wortwolken zu verbergen suchen.
*) „Alles Übrige ist Irrtum, Trübheit, Meinung, Streben, Willkür und Vergänglichkeit; die absolute Idee allein ist Sein, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit. Sie ist der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie.“ Wissenschaft der Logik.
**) Inhaltslosigkeit ist ungenau: Das Problem – wie bei obigen Satz über die absolute Idee – besteht darin, dass solche Sätze mit jedwedem Inhalt gefüllt werden können. Es sind Worte, die zwar eine allgemein gültige Bedeutung haben, von Hegel aber verunstaltet und zu bloßem metaphysischen Geschwätz werden. So diese vorgebliche Definition von Wahrheit, die also Sein, Leben, absolute Idee und vice versa ist. Das ist nicht Philosophie, das ist nicht Denken (und schon gar keine „Wissenschaft der Logik“), sondern metaphysisch verbrämte Theologie. Nicht von ungefähr behauptet auch der vorgebliche Gottessohn von sich selbst, die Wahrheit zu sein. Wenn man dann anmahnt, dass wahr einzig eine Aussage sein kann, dass hinwiederum das Feststellen von Wahrheit von bestimmten ontologischen Annahmen abhängig ist (wobei ich davon überzeugt bin, dass man ohne Anerkennung korrespondenztheoretischer Grundbedingungen zu keinem Ergebnis kommen wird), wird man eines renitenten Unverständnisses geziehen, man ermangele des Einfühlungsvermögens oder „tieferen“ Verständnisses, das sich hinter dem vorher monierten Begriffsgewölke verberge.