Zu Adornos „Jargon der Eigentlichkeit“ – Mastodon-Antwort

Ich wollte mit der Feststellung, dass seine im „Jargon der Eigentlichkeit“ geäußerte Kritik auf ihn selbst zurückfalle, Adorno keine faschismusfreundliche Haltung unterstellen: Aber was er bei den theologisch angehauchten Fundamentalontologen meint feststellen zu können (dass hinter ihrem verqueren Sprachgebrauch sich totalitäre Haltungen verbergen können, dass die Sprache so konzipiert ist, dass man sie mit fast beliebigen Inhalten füllen kann), das sind Dinge, die auf so manches aus der Frankfurter Schule genau so zutreffen (vor allem, was die Verwaschenheit der Sprache anlangt).

Ich will das an einem Beispiel zeigen. Auf S. 13 (im „Jargon der Eigentlichkeit“) spricht Adorno über diesen „Jargon“: „Unablässig blähen sich Ausdrücke und Situationen eines meist nicht mehr existenten Alltags auf, als wären sie ermächtigt und verbürgt von einem Absoluten, das Ehrfurcht verschweigt. Während die Gewitzigten sich scheuen, auf Offenbarung sich zu berufen, veranstalten sie autoritätssüchtig die Himmelfahrt des Wortes über den Bereich des Tatsächlichen, Bedingten und Anfechtbaren hinaus, indem sie es, auch im Druck, aussprechen, als wäre der Segen von oben in ihm selber mitkomponiert. Das Oberste, das zu denken wäre und das dem Gedanken widerstrebt, verschandelt der Jargon, indem er sich aufführt, als ob es – „je schon“, würde er sagen – hätte.“ Das ist treffend und witzig formuliert, man hört förmlich das tiefsinnige Raunen des Lederhosenträgers in seiner vorgeblichen Volksverbundenheit. Dann fährt Adorno fort: „Die Transzendenz der Wahrheit über die Bedeutung der einzelnen Worte und Urteile wird von ihm [dem Jargon] den Worten als ihr unwandelbarer Besitz zugeschlagen, während jenes Mehr allein in der Konstellation, vermittelt sich bildet.“ Hier stellt sich schon die Frage, was denn die „Transzendenz der Wahrheit“ sein soll, warum sie transzendent ist, während sie im Grunde einzig Propositionen zugesprochen werden kann. Um das schließlich zu kommentieren: „Philosophische Sprache geht, ihrem Ideal nach, hinaus über das, was sie sagt, vermöge dessen, was sie sagt, im Zug des Gedankens. Sie transzendiert dialektisch, indem in ihr der Widerspruch von Wahrheit und Gedanken sich seiner selbst bewusst und damit seiner mächtig wird.“

Kaum verfällt Adorno in seine eigene Sprache (die natürlich nicht ganz hegelfrei ist), so verfällt er in seinen eigenen Jargon und plappert ebenso inhaltsleer daher wie der monierte Heidegger. Sprache geht über das hinaus, was sie sagt? Das ist eine Platitüde sondergleichen und trifft mit Sicherheit nicht nur auf philosophische Aussagen zu. Und wodurch? Indem sie etwas sagt (Redundanz hoch 3, wie denn sonst?) – und das dann dem noch ein Gedanke zugrunde liegen soll – man staunt ob dieses Tiefsinns. Aber sie (die phil. Sprache) geht darüber hinaus, indem ein Widerspruch von Wahrheit und Gedanke sich bewusst werde. Was? Welche Wahrheit? Ein metaphysisches Ding, dass da irgendwo in den Falten des Hegelrockes lauert? Wahr (oder falsch) ist eine Aussage (ein Gedanke, der ausgesagt wird), aber einen Widerspruch von Gedanke und Wahrheit (als irgendwie wesende Entitäten?) gibt es nicht. Die Wahrheit erfährt hier eine Hypostasierung und wird einem Gedanken (besser einer Aussage) gegenübergestellt. Wahrheit aber ist eine Eigenschaft einer Aussage, weshalb es einen Widerspruch überhaupt nicht geben kann. Weshalb eine philosophische Sprache, die sich durch einen solchen Widerspruch dialektisch transzendiert, einfach nur Unsinn ist, Geplapper mit dem Hautgout von Gedankentiefe, deren Aussagewert aber gegen Null geht.

Trotzdem weiß man ansatzweise, was sich hinter diesem hochtrabenden Gerede verbirgt: Philosophische Aussagen, die sich als bezweifelbar erweisen, erfahren Änderungen, entwickeln sich weiter, sie versuchen Widerspruchsfreiheit zu erreichen innherhalb eines axiomatischen Systems oder die Wirklichkeit adäquat zu beschreiben. Adorno ist aber nicht das Geringste an klaren Aussagen gelegen (wie dem von ihm kritisierten „Jargon“), sondern ergeht sich in abgehobenem, philosophischem Kauderwelsch, welches – wenn genau übersetzt – Unsinn ist oder aber erst re-interpretiert werden muss, um auch nur ansatzweise Bedeutung zu erlangen.

Er wirft also anderen genau das vor, was er selbst exzessiv betreibt: Missbrauch der Sprache – ob nun die Gründe darin liegen, dass vermeintliche Tiefsinnigkeit suggeriert werden soll, dass man sich das Herausarbeiten klar fasslicher Ideen erspart oder aber um unangreifbar zu bleiben. Ein Begriffsnebel, in dem jeder seine eigenen Versatzstücke zur gefälligen Verwendung findet und selbst Material zu weiteren Fragwürdigkeiten zu liefern vermag – grosso modo das, was man in philosophischen Dissertationen findet.

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