Tatsächlich ist es schier unglaublich, dass diese schwachsinnig anmutenden Eingangskapitel das Beste am Roman sind. Der Rest des Buches ist eine fortgesetzte Beleidigung des Lesers, eine Aneinanderreihung von an Imbezibilität grenzenden Einfällen, sprachlich inferior und von einer Seichtigkeit des Denkens, die einem Groschenroman zweifelhafte Ehre machen würde.
Die Frau kehrt in das Haus zurück, trifft dort – homo extusus ex machina – auf einen an Echolalie leidenden schizophrenen Autisten (oder vice versa, wer weiß das schon). Dieser brabbelt nun im Stile des Selbstmörders vor sich hin, die Dame ist verstört, gelangt aber alsbald aus unerfindlichen Gründen zur Erkenntnis, dass man das Geschwalle auf Band aufnehmen sollte. Schließlich verschwindet der Irre ebenso überraschend wie er aufgetaucht ist, die gute Dame (Performancekünstlerin) bleibt ihrer Verstörung treu und schafft aus dem Erlebten ein Einpersonenstück, das an Seltsamkeit nicht hinter dem Buch zurückbleibt. Nach einigen trivial-unverständlichen Sätzen über Sprache und Zeit und dem Besuch des Vermieters (nach irgendeinem Sinnzusammenhang zu fragen erübrigt sich längst) schließt das Buch – endlich.
Was bringt einen Menschen dazu, einen derart sinnentleerten Roman zu verbrechen? Kurzzeitig hatte ich den Verdacht, dass ich einem Hoax Sokalscher Provenienz aufgesessen sei, einem Pseudoroman, der bloß demonstrieren sollte, dass auch der größte Blödsinn einen Verleger findet. (Sogar der Klappentextschreiber schien Schwierigkeiten mit der ihm abgeforderten Huldigung zu haben, endet er doch bei einem „stilistisch eigenwilligen und intensiven Roman“.) Tatsächlich gibt es unzählige Passagen, die von beachtlicher unfreiwilliger Komik sind, verdrehte Metaphern, Seelenschmus, der Coelho vor Neid erblassen lassen würde, Gedankengänge, die Medikamentenabusus nahelegen.
Der armen Künstlerin wird übel mitgespielt: „Nachts war der Himmel ganz nah, ausgebreitet in Sternenrauch und Gamma-Kataklysmen, aber sie sah ihn nicht mehr so wie früher, als Verlängerung der Seele, als stummes gutturales Wunder, als etwas im ältesten Teil von ihr, das außerhalb der Sprache lebte.“ Wo immer man das Buch aufschlägt, stößt man auf sinnentleerte Phrasen, dümmliche Pleonasmen („es war notwendig, weil sie es tun musste. Das machte es notwendig.“ – bei John Wayne oder Chuck Norris entlehnt?), peinliches Gesülze („wie konnte sich ein solches Übermaß an Verletzlichkeit allein auf der Welt befinden?„). Dass eine pseudokluge Interpretation dieses Machwerks möglich wäre, steht außer Zweifel; man kann – Kreativität vorausgesetzt – Rumpelstilzchen und den gestiefelten Kater zu bahnbrechenden Philosophen ernennen. Eine solche Auseinandersetzung aber hat dieses Buch nicht verdient – im Gegenteil: Sonst kein Freund von Bücherverbrennung ist an diesem Roman der Heizwert das Beste.
Don DeLillo: Körperzeit