Smollet, schottischer Herkunft, sah sich selber zwar als Historiker, ist heute aber am besten bekannt als Romancier, Verfasser pikaresker Romane. Zwar, habe ich festgestellt, im deutschen Sprachraum kennt man ihn eher weniger. In der englischen Literaturgeschichte hat er dagegen einen festen Platz – und sei es nur als ein wichtiger Einfluss auf Charles Dickens. (Allerdings ist Smollet zu Gute zu halten, dass bei ihm die unerträgliche Sentimentalität, die Dickens‘ Werke fast alle unlesbar macht, völlig fehlt.)
Smollets vielleicht bekanntesten Romane sind:
- The Adventures of Roderick Random (1748) – sein Erstling
- The Adventures of Peregrine Pickle (1751)
- The Expedition of Humphry Clinker (1771) – sein letzes Werk
Ich habe nur sein erstes und sein letztes Werk gelesen. Roderick Random ist die Geschichte eines durch äussere Umstände und verwandtschaftliche Missgunst verarmten schottischen Squire, der nun, wie schon sein Name andeutet, im Leben durch allerhand Zufälle gebeutelt wird, bis es dann zum Happy Ending reicht. Dieser Roman leidet aber m.M.n. darunter, dass Random zwar als Ich-Erzähler fungiert, aber über weite Strecken (mindestens die ersten 2/3 der rund 650 Seiten meiner Ausgabe!) mehr oder weniger passiv sein Schicksal hinnimmt / hinnehmen muss. Erst zum Schluss nimmt er sein Schicksal in eigene Hände und versucht, sich durch eine reiche Heirat zu sanieren. Es ist wohl wahr, dass Randoms Schicksale auf diversen englischen Kriegsschiffen realitätsgetreu wiedergegeben sind, und dass die Admiralität offenbar aufgrund dieser Schilderungen auch einige Änderungen einführte – literarisch gesehen vermag so etwas in der Ich-Form nicht zu überzeugen. Zumal die Satire hier absolut fehlt. (Zugegebenermassen angesichts der geschilderten Umstände auch fehl am Platze gewesen wäre.)
Überzeugt hat mich hingegen der Humphry Clinker. Gesellschaftssatire vom Feinsten, und da auch die den gesellschaftlichen Untugenden zu Grunde liegenden menschlichen Leidenschaften ins Visier des Satirikers geraten, bis heute gültig. Der Plot ist im Grunde genommen simpel: Es geht darum, dass eine Familie ihren Sitz auf dem Land zumindest temporär aufgibt und in die Bäder reist. Was man unterwegs erlebt, wird in Briefen von verschiedenen Reisenden an verschiedene Empfänger geschildert. Vieles der Satire und der Komik dieses Romans bezieht sich nun daraus, dass dasselbe Ereignis, von verschiedenen Personen geschildert, jeweils ganz anders aussieht, anders interpretiert wird. Jeder Briefsteller schreibt dabei in einem seiner Person und seinem Stand (auch die Dienstboten schreiben hier nach Hause!) angepassten Stil – man glaube also den Stimmen nicht, die da behaupten, Choderlos de Laclos‘ Liaisons Dangereuses hätten das in die Literatur eingeführt. Die sind, wenn auch bekannter, 10 Jahre jünger. Clinker ist übrigens keineswegs, wie der Titel vermuten lässt, die Hauptperson der Reise; er ist ein junger Dienstbote, der gar erst nach rund einem Drittel des Romans auftaucht, und auch dann nicht die Rolle z.B. eines Sam Weller übernimmt, sondern einer unter vielen bleibt.
Während ich also Smollets letzten Roman durchaus zu empfehlen wüsste, bin ich mir bei seinem ersten nicht ganz so sicher.
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