Die Horen. Jahrgang 1795. Zwölftes Stück

Eine Horen-Nummer, die eigentlich nur des ersten Beitrags wegen gedruckt wurde. Mit ihr ist der erste Jahrgang der Horen abgeschlossen. Schiller hat im Grossen und Ganzen seine Zeitschrift gut genutzt. Er hat seine theoretischen Schriften – die Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen und nun gerade auch, was später der Aufsatz Über naive und sentimentalische Dichtung werden wird – untergebracht und auch von Goethe und andern Beiträgern das eine oder andere nicht Üble erhalten.

Im vorliegenden 12. Stück ist wie gesagt nur gerade der erste Beitrag erwähnenswert: Die sentimentalischen Dichter von Schiller persönlich. Der Autor macht es seinem Leser nicht einfach, indem er die Begriffe “naiv vs. sentimentalisch” einerseits quasi literaturgeschichtlich nimmt, wo dann die alten Griechen, allen voran Homer, naiv sind und Goethe sentimentalisch, andererseits sie aber typisierend verwendet, wo dann Goethe naiv ist und er selber sentimentalisch. Nachdem er also im vorhergehenden 11. Stück den naiven Dichter geschildert hat, folgt nun der sentimentalische. Schiller nimmt hier “sentimentalisch” im historischen Sinn und beschreibt gleich zu Beginn den Unterschied zum “naiven” Dichter der Vergangenheit wie folgt:

Der dichterische Geist ist unsterblich und unverlierbar in der Menschheit; er kann nicht anders als zugleich mit derselben und mit der Anlage zu ihr sich verlieren. Denn entfernt sich gleich der Mensch durch die Freyheit seiner Phantasie und seines Verstandes von der Einfalt, Wahrheit und Nothwendigkeit der Natur, so steht ihm doch der Pfad zu derselben nicht nur immer offen, sondern ein mächtiger und unvertilgbarer Trieb, der moralische, treibt ihn auch unaufhörlich zu ihr zurück, und eben mit diesem Triebe steht das Dichtungsvermögen in Verwandtschaft.

Der moderne Dichter als moralische Anstalt, bemüht, sich wieder zu den alten Tugenden von Einfalt und Wahrheit zurückzuarbeiten – so könnte man Schillers Idee in etwa zusammenfassen. Und insofern der moderne Dichter sich dessen bewusst ist, und nur auf Grundlage dieses Bewusstseins arbeiten kann, ist er der sentimentalische sentimentalische Dichter, also Schiller; insofern nicht, ist er der naive sentimentalische Dichter, also Goethe. (Vereinfachend ausgedrückt.)

Die übrigen Beiträge dieser Nummer sind verschiedene kleine und kleinste Gedichte von Herder und Schiller, die einer näheren Besprechung nicht bedürfen, sowie ein Stück aus der Geschichte des Königreichs Polen, Archenholz’ “Sobiesky. Ein historisches Fragment.” Der preussische Offizier, Journalist und Aufklärer schreibt bessere Geschichte als der Jenaer Geschichtsprofessor Schiller. Sein Stil ist klar und die Erzählung kommt spannend und zugleich informativ daher. Dennoch nichts, das Weltruhm verdient oder auch erreicht hätte.

Im übrigen ist das 12. Stück mit ‘technischen’ Details gefüllt: Die versprochene Liste der Autoren für jeden Beitrag ist dabei, ebenso eine Liste der Subskribenten, nach Ortschaften geordnet. Es sind wenige, sehr wenige…

Das erste Jahr hätte dennoch (oder gerade deswegen) einen fulminanteren Schluss verdient. Schiller scheint müde zu werden; und der Leser wird es ebenfalls…

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