Besuch der Frankfurter Buchmesse 2014 (Tag 2)

Tag 2 unterscheidet sich von Tag 1 vor allem dadurch, dass mir die Füsse bedeutend weniger weh taten. Ich kenne mittlerweile die grobe Struktur des Messe-Aufbaus und somit die kürzesten Wege von A nach B.

Die Indies habe ich gestern dann gefunden – d.h., das ist hier folgendermassen: Indie-Verlage haben ganz einfach eigene Stände, so sie vertreten sind, und fallen dadurch gar nicht auf. Und Indie-Autoren – gibt es gar nicht. Es ist offenbar tief im Wesen des Indies verankert, Einzelkämpfer zu sein – ergo tritt man nicht als Kollektiv auf. Was ich gefunden habe, sind Verlage, die Indie-Autoren anbieten, ihre Werke zu verlegen. Ob das simple Druckkosten-Zuschuss-Verlage sind, oder ob die dann tatsächlich auch in Marketing investieren, kann ich nicht sagen. Ich habe kein Buch zu publizieren, und konnte deshalb auch keinen Undercover-Journalisten imitieren.

So habe ich dann noch die Stände der grossen literarischen Publikums-Verlage besucht: Hanser, dtv, Rowohlt, Reclam mit seiner Regenbogen-Bibliothek und wie sie alle heissen. Fazit: Diese Verlage denken im Grossen, der kleine Blogger interessiert sie wenig. Verständlich. Für mich aber deshalb auch uninteressant. Witzig dann aber die Vertreterin der Arno Schmidt Stiftung. Die Stiftung ist im Stand des Suhrkamp-Verlags integriert. (Ein Stand, der im übrigen nicht zu den kleinen gehört hier; es ist, als ob man allen Katastrophen- und Konkurs-Gerüchten die Stirn bieten wollte.) Ich stand sicher geduldig 5 Minuten lang vor ihrem – gegenüber dem Publikum leicht erhöhten – Stühlchen und wartete darauf, dass die Dame ihr Gespräch mit einer Kollegin (Urlaubspläne und Kollegenschelte, wenn ich das recht in Erinnerung habe) unterbreche und sich mir zuwende. Ich hätte da nämlich durchaus einige Fragen gehabt. Aber: Fehlanzeige. Nun, so dringend waren meine Fragen nicht; ich zottelte ab. Dennoch ein kleiner Gratis-Tipp für Verleger: Setze deine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an einer Messe nie auf  erhöhte Stühlchen – die sehen von da oben das Publikum nicht mehr.

Ich habe mich ins Reich der Touristik und Kulinarik aufgemacht. Und da habe ich tatsächlich gesündigt. Ich weiss noch nicht, wie ich es meiner Frau beibringen werde, aber ich habe eingekauft. Nein, keine Bücher (die dürfen hier offiziell gar nicht verkauft werden – wohl, weil die Verlage dem Buchhandel nicht in die Quere kommen wollen. Und weil man eine Fachmesse sein will, keine Publikumsmesse.). Nein, ich habe Wein eingekauft. Mallorquinischen. (Regelmässige Leser des Blogs mögen sich erinnern, dass ich vor ziemlich genau zwei Jahren hier davon berichtet habe, dass ich an einer – andern! – Messe sardinischen Wein eingekauft habe. Der ist nun trinkreif und ich muss / möchte ihn ersetzen. Da kam mir die nette Dame am Stand mit Direktimporten aus Mallorca gerade recht.) Ich denke, diese Weine waren eine Sünde wert.

Danach wurde ich wieder ein bisschen literarischer. Wie gestern angekündigt, besuchte ich die Lesung von Stefan Bachmann. Bevor er aus dem neuen Roman Die Wedernoch vorlas, wurde er von Sandra Kegel (Literaturkritikerin bei der FAZ) interviewt. Dabei trat ein faszinierendes Phänomen auf: Wenn man Bachmann intelligentere Fragen stellt, kriegt man auch intelligentere Antworten. So stellte Frau Kegel zum Beispiel tatsächlich die Frage nach dem Warum – warum einer, der Musik studiert, denn überhaupt ein Buch schreibe. Bachmanns Antwort hätte auch von Grösseren stammen können: Weil er müsse, wenn er nicht verrückt werden wolle ob der Stimmen in seinem Kopf. Allerdings beharrte auch Sandra Kegel auf dem Vergleich mit Dickens; allerdings kennt wohl auch sie wenig Fantasy, zu wenig, um z.B. die Frage nach Pullman stellen zu können. Und für Fragen aus dem Publikum war wohl keine Zeit. Im Übrigen hatte Stefan Bachmann diesmal eine schwarze Wollkappe aufgesetzt, was zwar auf den ersten Blick merkwürdig genug aussah, auf den zweiten aber seine allzu brave Rechtsscheitel-Frisur kaschierte, und Bachmann bedeutend erwachsener aussehen liess. Jedenfalls bei mir hat er mit seinem gestrigen Auftritt wieder bedeutend Boden gut gemacht.

Am Nachmittag dann noch ein Versuch, etwas andere Literatur zu verfolgen: ein Buch, geschrieben von, zu und über Cro, einen Rapper. Cro stand auf der Bühne im Innenhof, und bevor er rappte, wurde er interviewt. Das zahlreiche Publikum feierte ihn frenetisch. Zahlreich, ja – aber keineswegs 1’500 bis 2’000 wie der Moderatur auf der Bühne enthusiastisch befand. 200 wird’s eher treffen. Davon ein grossen Aufgebot an uniformierter Polizei. (Überhaupt die Sicherheitsleute hier: Neben der offiziellen Polizei, spaziert eine private Security in roten Shirts herum, dann kommen da jene an Leibwächter gemahnenden jungen Herren im schlecht sitzenden schwarzen Anzug, mit noch schlechter sitzender Krawatte, neongrünen Sneakers an den Füssen und den kleinen Knopf-Kopfhörern in den Ohren – mit weissem Ringelkabel im Nacken. Da es meist regnet, können sie ihre Ray-Ban-Sonnenbrillen leider nicht tragen.) Ach ja, Cro: Es wurde mir dann zu luftig während des Interviews und ich verzog mich diskret zurück in eine Halle.

Abends dann zur Abwechslung nicht in mein Cordon-Bleu-Restaurant, sondern mit einem Co-Fori aus dem Literaturschock-Forum in die Frankfurter Innenstadt, auf einen Burger und ein Bier. Aber, so leid es mir für Frankfurt-Tourismus tut: Ich habe auch gestern kaum etwas von der Stadt Frankfurt gesehen. Und das wird sich heute, fürchte ich, auch nicht mehr ändern.

So, und jetzt habe ich noch zwei Verlage, die ich gerne näher ansehen würde. Einer Indie, einer nicht.

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