J. Craig Venter: Leben aus dem Labor

John Craig Venter ist der Öffentlichkeit durch die von ihm erstmals erfolgreiche durchgeführte Sequenzierung des menschlichen Genoms bekannt geworden. Und durch die Vermarktung seiner Forschungsergebnisse (er dürfte mindestens so viel vom Unternehmer wie vom Wissenschaftler haben), wobei er u. a. Patente auf die Sequenzierungen anmeldete, um die gewonnenen Erkenntnisse für die Medikamentenherstellung ökonomisch zu nutzen.

Ich kann die Berechtigung dieser Kritik nicht wirklich beurteilen (weil ich mich mit der Materie nicht auseinandergesetzt habe); allerdings macht Venter in diesem Buch einen doch recht selbstgefälligen Eindruck, der von der Bedeutung seiner Forschungen (und seiner Person) keine allzu geringe Meinung hat. Das Buch dokumentiert diese seine Forschungen: Die Sequenzierung erster Genome, deren Synthetisierung und Wiedereinbau in Zellen als auch weitergehende Bemühungen um die Erstellung künstlicher Lebensformen. Dabei überwiegen für ihn – wenig überraschend – die Vorteile bei weitem die möglicherweise entstehenden Risiken (inwieweit hier Venter oder seine Kritiker im Recht sind kann ich mangels Fachkenntnis nicht einschätzen: Ich würde die Beurteilung gerne kompetenten und integren Wissenschaftlern überlassen); die Möglichkeiten für die Medizin sind mit Sicherheit kaum zu überschätzen und auch für die Umweltpolitik ergeben sich ungeahnte Chancen (PVC fressende Mikroorganismen, die die Weltmeere von unserem Plastikmüll befreien, wären eine wunderbare Lösung eines fast unlösbaren Problems).

Wie groß die Gefahr von unvorhersehbaren Effekten für das ohnehin sensible, ökologische Gleichgewicht wäre (und ob ein solcher Einsatz nicht vielleicht irreversible Folgen hätte), kann der Laie nicht entscheiden. Und nach der Lektüre dieses Buches fällt einem die Entscheidung auch nicht wirklich leichter: Der Autor scheint nicht wirklich um eine objektive Darstellung bemüht, verliert sich manchmal in (für mich) schwer verständliche Fachterminologie (“Um die Stücke zu verknüpfen, setzten wir der DNA-Mischung in dem Röhrchen ein Enzym namens 3′-Exonuclease zu, das die DNA an ihren Enden abbaut; es verdaut dabei aber nur einen der beiden DNA-Stränge (den sogenannten 3′-Strang – ein Hinweis darauf, wie die Kohlenstoffatome in den Zuckergruppen den DNA-Nucleotide nummeriert sind) und legt dabei den anderen (5′-Strang genannt) frei. […] Um sicherzustellen, dass wir am Ende vollständige Helix-Doppelstränge hatten, setzten wir als nächstes DNA-Polymerase und einige freie Nucleotide zu, so dass die Polymerase an allen Stellen, an denen die 3′-Exonuclease ein zu langes Stück des Stranges abgebaut hatte, die fehlenden Basen auffüllte. Dann verbanden wir mit einem weiteren Enzym, der DNA-Ligase, die überlappenden Stränge.” Usf. Ich gestehe: Ganz klar ist mir die Versuchsanordnung noch nicht) oder in eine unkritische Begeisterung über die Möglichkeiten (z. B. beim Einsatz sogenannter “intelligenter” Pflanzen, die ebensolche Pestizide, Herbizide etc. benötigen und bislang in Entwicklungsländern zu einer enormen Abhängigkeit von Großkonzernen führte*).

Die Frage, was wissenschaftlich erlaubt oder verboten werden sollte, ist eine politische Frage – und sie richtet sich in Demokratien an uns alle. Ich halte die Wissenschaft an sich für eine unserer größten Hoffnungen: Dass sie aber auch zu unserem Untergang beitragen kann ist offenkundig. Eine Ideallösung wird man vergebens suchen: Grosso modo vermute ich aber, dass unsere Überlebenschancen mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen steigen werden. Dass darüber keine Gewissheit zu erlangen ist, spricht nicht dagegen: Gewissheit ist eine Unmöglichkeit. Das Problem ist der Mensch an sich, mit all seiner Verführbarkeit Macht und Geld betreffend: Und ob Venter ein wirklich integrer Vertreter seiner Zunft ist, wage ich zu bezweifeln. Das Buch verfehlt leider sein selbstgestecktes Ziel: Den Bürger zu einer mündigen Entscheidung zu führen.


*) Wenn in diesem Zusammenhang von der Ineffizienz der bäuerlichen Strukturen in diesen Ländern gesprochen wird, dann mag das stimmen: Wenn es aber zu Zusammenlegungen kommt (und danach sehr viel effizienter produziert werden kann), haben jene Kleinbauern nichts davon. Sie vermehren nach dem Verkauf ihrer Grundstücke die Zahl derer, die in Großstädten in Elendsvierteln dahinvegetieren. Die Subsistenzwirtschaft mag ineffektiv sein, bewahrt aber die Betreffenden wenigstens vor dem Verhungern.


J. Craig Venter: Leben aus dem Labor. Die neue Welt der synthetischen Biologie. Frankfurt a. M.: Fischer 2014.

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