Jean-Yves Tadié: Marcel Proust I

Jean-Yves Tadié ist der Doyen der französischen Proust-Forschung, und die vorliegende Biografie zu Marcel Proust gilt nach wie vor als Standardwerk. Sie ist mit rund 1400 Taschenbuch-Seiten sehr umfangreich, weshalb sie denn auch von Gallimard für die Collection Folio auf zwei Bände aufgeteilt wurde, mit den Nummern 3213 und 3214. Erstmals erschien sie 1996, vor…

Matthias Glaubrecht: Dichter, Naturkundler, Welterforscher. Adelbert von Chamisso und die Suche nach der Nordostpassage

Matthias Glaubrecht hat mir schon mit seiner Biografie des Co-Entdeckers der Evolutionstheorie, Alfred Russell Wallace, Freude bereitet. Ebenfalls Freude bereitet hat er mir als Herausgeber der Folio-Ausgabe von Chamissos Reisebericht in der Anderen Bibliothek. Zwischendurch hat er Weiteres veröffentlicht, das ich nicht gelesen habe, aber als ich sah, dass es nun eine Biografie Adelbert von…

C. F. Ramuz: Sturz in die Sonne [Présence de la mort]

Seit etwa 15 Jahren kursiert der Begriff ‚Climate Fiction‘ (oder kurz ‚Cli-Fi‘) für etwas, das ursprünglich ein Untergenre der Science Fiction war (und meiner Meinung nach noch immer ist). Der Begriff hat sich rasch selbständig gemacht und ist heute weit verbreitet: Verlage und Buchhandel benutzen ihn, Schreibende und Lesende (und da wiederum sowohl Professionelle wie…

Artur Kilian Vogel: Eine Weltreise durch die Schweiz

2020 hat es bisher nicht sehr gut gemeint mit all jenen, die gerne reisen. Und schon gar nicht mit jenen, die gerne weit reisen. In extremis reduziert auf den eigenen Garten oder zumindest die nähere Umgebung hat wohl so mancher, so manche, eben diese näher kennen und schätzen gelernt, anstatt sich auf fernen Kontinenten zu…

Michel Layaz: Louis Soutter, sehr wahrscheinlich [Louis Soutter, probablement]

Louis Soutter existierte wirklich, nicht nur sehr wahrscheinlich. (Im französischen Original heißt es nur „wahrscheinlich“ (probablement); ich vermute, dass die Übersetzerin, Yla M. von Dach, das Wörtchen „sehr“ eingefügt hat, um den Rhythmus des Französischen beizubehalten – was mich in Bezug auf die sehr melodiöse Sprache dieses biografischen Romans beruhigt: Sie stammt offenbar vom Autor…

Adolf Muschg: Der weiße Freitag

Biografie oder Roman? Essay oder Autobiografie? Im Untertitel nennt Muschg dieses Werk eine Erzählung vom Entgegenkommen. Das macht die Sache nicht besser, im Gegenteil. Abgesehen von der sicher bewusst gewählten Schwammigkeit, die sich hinter der literarischen Pseudo-Form Erzählung versteckt, und die meine Eingangsfragen bewusst nicht beantwortet, stellt der Untertitel ein weitere, zusätzliche Frage in den…

Mary Shelley: Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Anlass für die erneute Lektüre dieses Buchs (ich habe bereits vor 6 Jahren hier etwas dazu geschrieben) war einerseits der Umstand, dass die Büchergilde Gutenberg 2018 eine neue, illustrierte Ausgabe des Textes herausbrachte1), andererseits der, dass ich in etwa zeitgleich mit der Entdeckung der neuen Büchergilden-Ausgabe auch entdeckte, dass sich zwei so herausragende Kenner der…

Christopher Frayling: Vampyres

Vampire… Seit jenem in der Literaturgeschichte zu einem magischen Moment gewordenen Tagen im verregneten, nass-kalten Sommer 1816 – jenem Sommer, ‚der kein Sommer war‘ –, als die vier Freunde Byron, Shelley, Mary Wollstonecraft und John Polidori in der Villa Diodati am Ufer des Genfersees zusammenkamen und beschlossen, sich gegenseitig Gruselgeschichten zu erzählen, sind diese blutsaugenden…

John William Polidori: The Vampyre [Der Vampyr]

Wenn die UNESCO nicht nur alte Gebäude, sondern auch vergangene Ereignisse in ihre Sammlung des Weltkulturerbes aufnehmen würde – jene völlig verregneten Tage und Nächte des Sommers von 1816, die der Freundeskreis von Lord Byron in der Villa Diodati am Genfersee verbrachte, müssten dazu gehören. Dieser Freundeskreis – darunter Percy Bysshe Shelley und die damals…