Joaquim Maria Machado de Assis: Histórias da Meia-Noite

Machado de Assis (1839-1908) führte die brasilianische Literatur praktisch im Alleingang in die zeitgenössische Moderne. War vor ihm dort ein barock verzopfter Klassizismus angesagt, so wurde die Literatur nun schlichter und beschäftigte sich mit dem zeitgenössischen Menschen – die Art Literatur, die in Frankreich, Großbritannien oder Deutschland als Realismus gehandelt wurde. Machado sollte nicht hierbei…

Writer in Residence: Jean D’Amérique – Zerrissene Sonne

Dieses Mal habe ich keine 4½ Jahre vergehen lassen vom Besuch einer Lesung bis zum Besuch der nächsten. Dafür war ich abermals im selben Literaturhaus Zürich und habe abermals eine Lesung französisch-karibischer Literatur gehört – genauer: abermals der haitianischen Literatur. Das Literaturhaus scheint sich dieser Literatur im Moment ganz besonders anzunehmen. Nicht nur ist es…

Jean D’Amérique: Zerrissene Sonne [Soleil à coudre]

Jean Civilus, der sich als Künstler Jean D’Amérique nennt, kam 1994 in Côte-de-Fer, Haiti, zur Welt. Soleil à coudre erschien 2021 auf Französisch. Es handelt sich um seinen ersten Roman; er war aber bereits als Lyriker und Rapper bekannt. Wörtlich übersetzt bedeutet der Titel Soleil à coudre „Sonne zum Nähen“, was impliziert, dass die Sonne…

Gary Victor: Eine Violine für Adrien [Le violin d’A.]

Ort der Handlung: Port-au-Prince, die Hauptstadt von Haiti; Zeit der Handlung: Frühling 1971. Erzählt wird die Geschichte in der Ich-Form von einem Jungen namens Adrien. Der steckt gerade in der Pubertät, macht die ersten sexuellen Erfahrungen mit gleichaltrigen Mädchen und verliebt sich gar. Zum einen in eine junge Frau, ungefähr seines Alters. Das ist problematisch,…

Mario Vargas Llosa: Die große Versuchung

Le dedico mi silencio (so der Originaltitel dieses Werks) sei sein letzter Roman, lässt Mario Vargas Llosa in einer kurzen Nachschrift am Ende des Buchs verlauten, um weiter zu fahren: Ich würde jetzt gern einen Essay über Sartre schreiben, in jungen Jahren war er mein Lehrmeister. Es wird das Letzte sein, was ich schreibe. Offen…

«Kettly Mars – Vodou, Literatur und Kasalé»

Nicht ganz 4½ Jahre ist es her, seit ich das letzte Mal einer Lesung beigewohnt habe – eine lange Zeit, die nicht nur (aber auch) durch die Pandemie zu erklären ist. Nun aber war ich vergangenen Mittwoch wieder einmal an einer Lesung. Sie fand wie jene vor 4½ Jahren in Zürich statt, dieses Mal als…

Ralph Ludwig (Hrsg.): Irrschweifen und Lachen (L’errance et le rire)

Nicht nur Haïti sondern die ganze Inselgruppe, zu der dieser Staat gehört und die man üblicherweise unter dem Namen der Antillen zusammenfasst, ist für mich, literarisch gesehen, ein ziemliches schwarzes Loch. Und ich denke, dass es vielen der hier Mitlesenden ähnlich geht. So habe ich die Gelegenheit ergriffen, nach Kettly Mars’ Kabalé ein weiteres Buch…

Kettly Mars: Kasalé

Kasalé ist ein kleines Dorf auf Haïti. Dort lebt Antoinette. Sie ist alt, uralt. So alt, dass niemand – auch sie selber nicht – noch weiß, wie alt sie wirklich ist. Doch nun, fühlt sie selber, geht es ans Sterben. Aber bevor sie stirbt, muss sie noch zwei Aufgaben erledigen. Denn Antoinette ist nicht irgendwer….

Joaquim Maria Machado de Assis: Contos Fluminenses

Fluminense ist ein heute nicht mehr gebräuchliches Adjektiv des brasilianischen Portugiesisch. Es setzt sich zusammen aus dem Suffix’-ense’, das in etwa so viel bedeutet wie ‚zugehörig zu‘, ‚Teil von‘. ‚Flumen‘ wiederum ist eigentlich ein Substantiv, dazu noch ein lateinisches, und bedeutet auf Deutsch ‚Fluss‘. Das Wort ist ziemlich sicher eine gelehrte Ableitung, die es in…

Gabriel García Márquez: Wir sehen uns im August

Schon einige Jahre vor seinem Tod wurde aus der Entourage des Literaturnobelpreisträgers von 1982, Gabriel García Márquez, mitgeteilt, dass es keine neuen Romane des kolumbianischen Autors mehr geben würde. Ich erinnere mich nicht, ob damals schon der Grund dafür – Altersdemenz – genannt wurde. Nun ist aus dem Nachlass dieser Roman (besser wohl: diese Erzählung)…