Vivian Fung: «Baroque Melting» für Cembalo und Streichorchester / Efraín Oscher: «Barroqueana Venezolana» Nr. 4 für Kontrabass und Orchester / Pjotr Iljitsch Tschaikowski: Sinfonie Nr. 6 h-Moll, op. 74 «Pathétique»

Vor einem blauen Himmel steht links ein Baum und in der Mitte die Spitze eines Springbrunnens, der gerade Wasser spritzt. Rechts sehen wir einen Teil der Fassade eines klassizistischen Gebäudes. Eigene Fotografie.

Letztes Abonnements-Konzert für diese Saison. Ich habe dabei auch herausgefunden, dass die ganze Saison ein so genanntes Saison-Thema hatte, nämlich „Vergehen“. (Diese Information stand sicher schon lange irgendwo und ich habe es in meiner Schusseligkeit bisher einfach übersehen. Jedenfalls finde ich in der Konzertvorschau für die Saison 2025/26 das Motto Ursprünge prominent aufgeführt.) Was aber sollten wir hören?

Nun, es scheint, als ob die Verantwortlichen für den letzten Konzertabend meine leisen Beschwerden in Bezug auf die Frauenquote gelesen hätten. (Ich weiß: Solche Programme werden lange im Voraus geplant. Selbst wenn die Verantwortlichen meinen Bericht hier im Blog gelesen hätten, könnten sie nicht so rasch reagieren. Aber auf Grund der – gelinde gesagt – recht kleinen Anzahl Views meines letzten Konzertberichts glaube ich sowieso nicht, dass es von ihnen gelesen wurde.) Was ich sagen wollte: Zwar wurde auch heute das im Zentrum stehende Soloinstrument – dieses Mal ist es der Kontrabass – von einem Mann gespielt (dem Venezolaner Edicson Ruiz), das erste gespielte Stück aber stammte von einer Komponistin der Gegenwart und auch die Orchesterleitung lag wieder einmal in weiblicher Hand, nämlich bei der Neuseeländerin Gemma New. Da ich bisher mit Dirigentinnen nur gute Erfahrungen gemacht hatte, freute ich mich doch sehr auf diesen Abend.

Den Anfang machte also die kanadische Komponistin

Vivian Fung mit «Baroque Melting», einem kurzen Stück für Cembalo und Streichorchester

Ich bin in zeitgenössischer Musik zugegeben schlecht bewandert – der Name sagte mir vor dem Konzert nichts. Doch die paar Minuten des Stücks verliefen sehr angenehm; ein Cembalo zu hören mitten in moderneren Noten ist doch sehr interessant. Der Begriff Melting, also „Schmelzen“ hat in der Musikkritik schon Analogien erzeugt zu den schmelzenden Uhren eines Salvador Dalí. Mir persönlich kamen eher durcheinander fliegende Vogel- oder Insektenschwärme in den Sinn als surrealistische Konstruktionen. Sowieso vermute ich, dass Fung eher an die Verschmelzung von Barock und Moderne gedacht hat bei ihrem Titel. Aber es gefiel mir.

Weiter ging es mit

Efraín Oscher – «Barroqueana Venezolana» Nr. 4 für Kontrabass und Orchester

Oscher, ebenfalls ein zeitgenössischer Komponist, ebenfalls einer, dessen Name mir nichts sagte. Aus Uruguay stammend, ist er sozusagen ein Nachbar des Venezolaners Ruiz, und das heute hier von Ruiz gespielte Stück scheint denn auch speziell für ihn geschrieben worden zu sein. Der vom Komponisten geforderte Gegensatz zwischen der „Wiener Stimmung“ des Kontrabasses und den immer wieder zitierten lateinamerikanischen Rhythmen in der Musik, zusammen mit dem musikalischen Dialog zwischen Soloinstrument und Orchester, war sehr spannend und machte das Stück sehr lebendig. Dem Orchester schien es auch zu gefallen: Der vor mir sitzende Kontrabassist zuckte mit den Schultern wie ein Tangotänzer und selbst der Pferdeschwanz der Dirigentin wippte munter im Takt. Von Oscher muss ich mir bei Gelegenheit noch mehr anhören.

Kleiner ‚Fun Fact‘ am Rand: Offenbar gab es da eine Ecke im Publikum, die schon nach dem ersten Satz der Barroqueana Venezolana klatschten – vielleicht durch die Kürze des einleitenden Werks von Vivian Fung dazu verführt, eine ähnliche Kürze auch bei Oscher zu erwarten. Es wäre allerdings ein sehr kurzer Auftritt des Stargasts gewesen, zumal er sich am Schluss durch keinerlei noch so intensives Klatschen zu einer Zugabe bewegen ließ.

Die Pause

… verlief für mich aus Gründen für einmal alkohol- und überhaupt konsumfrei.

Nach der Pause wurde schließlich noch

von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, die Sinfonie Nr. 6 h-Moll, op. 74 «Pathétique»

… gegeben. Diesen bedeutenden russischen Romantiker kenne ich natürlich und die Pathétique schon gar. Tschaikowski mag man oder man mag ihn nicht. Ich persönlich halte ihn durchaus für einen guten, ja sehr guten Komponisten – aber als Russe und als Romantiker trägt er halt sehr dick auf: breite, satte Klangteppiche, vom Orchester mit ganzem Einsatz zu spielen. Das wird mir dann rasch zu viel. (Außerdem erinnert ich die Pathétique an einen der peinlichsten Momente in meiner eigenen Konzerthörerkarriere. Es ging mir nämlich beim ersten Mal hören ähnlich wie heute jener anderen Ecke, die schon nach dem ersten Satz des Werks von Oscher klatschte. Nur dass ich nach dem dritten Satz klatschte. Zu meiner Entschuldigung kann ich sagen, dass ich damals noch nicht wusste, was ich heute weiß – nämlich, dass Tschaikowski in der Pathétique nicht nur die traditionellen Eigenschaften des dritten und des vierten Satzes einer Sinfonie vertauscht hat, so dass der dritte äußerst sehr nach Ende klingt; er hat auch im ersten Satz einen Tempo- und Stimmungswechsel eingebaut, der bei unachtsamem Hören den Eindruck erwecken kann, die Dirigentin habe die Pause zwischen erstem und zweitem Satz etwas gar kurz genommen.)

Jedenfalls gingen wir dann satt von Musik nach Hause. Dieses Mal regnete es beim Verlassen des Konzertgebäudes …

Und ja: Auch das heutige Konzert brachte mir eine sehr positive Erfahrung mit einer Dirigentin. Ich wünschte mir noch mehr davon.

Ansichten seit Veröffentlichung bzw. 17.03.2025: 12

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