Onur Erdur: Schule des Südens. Die kolonialen Wurzeln der französischen Theorie.

Verblüfft an diesem Werk hat mich schon der Titel: Philosophisch nicht gänzlich unbedarft war mir nicht ganz klar, was Erdur da unter „französischer Theorie“ versteht bzw. zu verstehen vorgibt. Denn die hier versammelten Philosophen, die er auf ihre koloniale Vergangenheit (resp. deren Einfluss auf ihr Werk) zu untersuchen sich vornimmt, haben auf den ersten Blick…

Hans-Dieter Gelfert: Charles Dickens

Gelfert schreibt in seinem Vorwort, dass Michael Slaters Dickens-Biographie keiner Ergänzung bedürfe: Alles, was es zu Dickens‘ Leben zu recherchieren, zu erzählen gäbe, habe Slater umfassend und kompetent dargestellt. Weshalb er, Gelfert, auch nichts Neues zu berichten wisse und er die die dort referierten Daten weitgehend übernommen habe. Da es diesfalls aber einer Rechtfertigung bedarf…

Karl-Heinz Ott: Verfluchte Neuzeit. Eine Geschichte des reaktionären Denkens.

Der Autor war mir bislang völlig unbekannt, hat Romane geschrieben, Theaterstücke, Essays zu musikalischen Themen als auch Kulturgeschichtliches. Das vorliegende Buch ist eine Abrechnung mit einigen reaktionären Denkern und Schriftstellern (wie im Titel anklingt), die sich der Rationalität, dem analytischen Philosophieren verweigern und in dem subjektivistischen Denken (das Ott mit Descartes beginnen lässt) den Niedergang…

Thomas Zoglauer: Konstruierte Wahrheiten. Wahrheit und Wissen im postfaktischen Zeitalter.

Bücher über das Postfaktische sind mittlerweile Legion und die Masse ist allein schon ein Hinweis auf deren eher bescheiden zu nennende Qualität. Das liegt schlicht an der philosophischen Unbedarftheit der Autoren, die sich in hilflosen Analysen dem Problem der Wahrheit anzunähern oder einfach philosophiegeschichtlich unbeleckt von jedweder Kenntnis mit beliebig ausgewählten Denkern ihre Thesen zu…

Stephen Law: Warum Kreter lügen, wenn sie die Wahrheit sagen und andere Abenteuer der Philosophie

Ich mag Bücher, die ein großes philosophisches Spektrum abdecken, sich an ein breites Publikum wenden und kann ihnen häufig mehr abgewinnen als akademischen Publikationen, die sich in tiefsinnigen Erörterungen darüber ergehen, ob denn aufgrund einer verderbten und nun neuinterpretierten Stelle im Phaidon die ganze Philosophiegeschichte neu geschrieben werden müsse. Law hat auch Bücher für Jugendliche…

Bemerkungen und Betrachtungen zu „Tim Bouverie: Mit Hitler reden. Der Weg vom Appeasement zum Zweiten Weltkrieg.“

Bouverie ist ein junger Historiker und Journalist und hat mit seinem Buch über die Appeasementpolitik einen beachtlichen Verkaufserfolg erzielt. Nicht zu unrecht: Stilistisch auf ein breites Publikum abgestimmt ist es doch penibel recherchiert, der Autor ist mit seinen Quellen vertraut und erläutert mit historischem Sachverstand den Weg, den die westliche Welt sehenden Auges in Richtung…

Hans Hahn: Empirismus Logik Mathematik.

Hahns Bedeutung für den Wiener Kreis kann kaum überschätzt werden. So hat Philipp Frank in seinem Nachruf betont, dass Hahn eine Art informeller Mittelpunkt des intellektuellen Zirkels gewesen sei – sowohl den „ersten“ als auch den „zweiten“ Wiener Kreis betreffend (er war entscheidend an der Berufung von Moritz Schlick auf den Lehrstuhl von Ernst Mach,…

Ljudmila Ulitzkaja: Ergebenst, euer Schurik

Die Autorin wurde immer wieder mal für den Nobelpreis gehandelt, trat (und tritt) in ihrer Heimat Russland gegen das System Putin auf (und hat sich beim Einmarsch in die Ukraine klar gegen den Krieg ausgesprochen), könnte also schon aus politischen Gründen für den ehrenden Ritterschlag des schwedischen Nobelpreiskomittees in Frage kommen. Mir war Ulitzkaja –…

Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor

Der vorliegende Roman zählt zu den Werken der Stuttgarter Zeit Raabes (neben „Abu Telfan“ und „Der Schüdderump“) und wurde von der Kritik eher kühl aufgenommen. Und während mir das zu Beginn als ein zu hartes Verdikt erscheinen wollte (denn ich liebe den auktorialen Erzählstil, den der Autor hier anfangs mit sehr viel Feingefühl und dem…