Der Roman ist eine Abfolge kurzer Szenen, von mehr-weniger großen Belanglosigkeiten, die der Hauptperson widerfahren, zu Hause bei seinen spießigen Verwandten, unter Bekannten und Freunden, wo sich Beziehungen anbahnen und wieder zerbrechen, in der Arbeit, wo alle eine Wichtigkeit vorleben, die sich in schale Lächerlichkeiten auflöst. Das sind wunderbar beobachtete Alltagsereignisse, Trivialitäten, kleine Schicksale, die hingenommen werden, werden müssen (?), die allen widerfahren und so das Leben wie eine erzwungene Abfolge von Banalitäten erscheinen lassen. Einerseits glaubt man in einer Zeit des Aufbruchs zu leben (der Roman spielt Ende der 60er, Anfang der 70er), andererseits stellt sich das eigene Leben ebenso spießig und langweilig da wie das der Elterngeneration, die vom Krieg erzählen, von den schweren Zeiten und sich dabei ihre eigene Vergangenheit zurecht lügen. (Der Krieg – meint der Onkel Winklers – sei seine schönste Zeit gewesen. Obwohl er sich dort alle Zehen abgefroren habe? fragt seine Frau. Aber der Onkel zuckt nur mit den Schultern, er hat das alles wohl schon zu oft erzählt, um jetzt noch etwas daran zu ändern.)
Ich kannte bislang nur Kappachers Roman über Hugo von Hofmannsthal („Der Fligenpalast“), ein Buch, das ich in sehr angenehmer Erinnerung habe ob der ruhigen, stillen Erzählweise. Dies hier scheint eines seiner ersten Bücher gewesen zu sein und ich war zunehmend begeistert von seiner Art des Schreibens, von der Schilderung einer Zeit, die zum Teil auch meine eigene gewesen ist (und vielleicht ist mein positiver Eindruck dadurch verstärkt worden). Für mich jedenfalls Anlass, mich mehr und intensiver mit ihm auseinanderzusetzen. Das vorliegende Buch war jedenfalls eine kleine Entdeckung.
Walter Kappacher: Morgen. Salzburg: Afred Winter Verlag.
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