Ray Bradbury: Something Wicked this Way Comes [Das Böse kommt auf leisen Sohlen]

By the pricking of my thumbs,
Something wicked this way comes.

In der Übersetzung von Dorothea Tieck:

Ha, mir juckt der Daumen sehr,
Etwas Böses kommt hieher!

So spricht die zweite Hexe in der ersten Szene des vierten Akts von Macbeth. Bei Shakespeare ist es Macbeth höchstpersönlich, der da gleich anklopfen wird, bei Bradbury ist das Böse in zwei Zirkusdirektoren verkörpert. Deren Zirkus besucht eines Tages die kleine Stadt irgendwo im US-amerikanischen mittleren Westen, in der die beiden 13-jährigen Jungs William „Will“ Halloway und Jim Nightshade leben. Die Nachnamen sind sprechend und widerspiegeln die je unterschiedliche Neigung der beiden, dem Bösen zu verfallen – Will, der eigentlich immer das „Gute“ möchte; Jim, der vom „Bösen“ fasziniert ist.

Der Roman ist – anders als zum Beispiel die Mars-Chroniken oder der in derselben Region angesiedelte Dandelion Wine (Löwenzahnwein) vom selben Autor – von Anfang an als durchkomponierter Roman entstanden, also keine nachträgliche Zusammenstellung von einander unabhängiger Short Stories. Dandelion Wine und Something Wicked This Way Comes teilen sich in etwa Ort und Zeit: ein Kleinstadt im Mittleren Westen der USA in den 1930ern – Zeit und Ort auch von Bradburys eigener Kindheit und Jugend. Anders als Dandelion Wine, der den Sommer und damit die schönen Seiten von Kindheit und Jugend darstellt, spielt Something Wicked This Way Comes im Herbst und zeigt die oft irrationalen Ängste und Nöte der Kindheit auf.

Wer nun auf Grund von Handlungsort und -zeit einen mit Horror-Elementen vermengten Entwicklungsroman zweier Jungs erwartet, erhält nur teilweise Recht. Auch die beiden Jungs entwickeln sich im Kampf mit den Zirkusdirektoren, sicher. Vor allem aber ist es der Vater des einen, Charles Halloway, der sich entwickelt. Von einem unsicheren und von seinem Sohn weit entfernten Mann, der an seiner Eignung zum Vater zweifelt, weil er sich für zu alt hält (er ist zum Zeitpunkt der Geschichte 54), wird er zu einem selbstsicheren und das Leben geniessenden Mann, der zusammen mit seinem Sohn das Abenteuer der Besiegung der beiden Zirkusdirektoren besteht.

Der Roman hat durchaus seine Schwächen. Während Bradbury in den ersten zwei Dritteln sehr fein schildert, wie Horror und Angst sich langsam in die beiden Jungs (und Wills Vater) einschleichen, fällt der Schluss ab. Hier nämlich beginnt Charles Halloway, der Bibliothekar, aus Büchern zu dozieren. Ganze Kapitel sind seinen theoretischen Ausführungen über Gut und Böse gewidmet. Selbst die Waffe, die Halloway gegen das Böse verwendet (er lacht es einfach aus), wirkt ein wenig aufgesetzt, ein wenig naiv und simpel. Wenn das Böse einfach in sich zusammen fallen würde, wenn man es verlacht, hätte der Überfall auf die Redaktion von Charlie Hébdo nie stattfinden können …

Nichts destotrotz hat vor allem der Horror-Aspekt von Something Wicked This Way Comes bei Bradburys Kollegen in diesem Genre Spuren hinterlassen. Stephen Kings Clown in It wäre ohne diesen Roman eben so wenig möglich gewesen, wie Neil Gaimans American Gods. Im deutschen Sprachraum kennt man wohl die Sprösslinge besser als ihren Vater-Roman. Bei aller Schwäche des Schlusses ist das etwas, das man ändern sollte und auch Bradbury lesen, sofern man es nicht bereits getan hat. Es lohnt sich durchaus.

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