Christopher Hitchens: The Hitch

Hitchens war ein in den USA und England bekannter Journalist, der mir erst durch sein Buch “God is not great” (dt. “Der Herr ist kein Hirte”) bekannt wurde. Dieses Buch wurde hochgelobt, hat mich aber wenig beeindruckt: Es stellt eine großteils berechtigte, aber wenig originelle Abrechnung mit den großen monotheistischen Religionen dar, wobei mir die letzte Konsequenz in den Überlegungen zu fehlen schien. Das mag auch erklären, dass Hitchens immer wieder dezidiert religiöse Menschen zu seinen Freunden zählte (wie auch aus dieser Autobiographie ersichtlich).

Dass ich diese Autobiographie überhaupt gelesen habe, ist einem Zufall zu verdanken, einer Verwechslung der Bibliotheksangestellten, die mir statt der erwünschten Kissinger-Biographie (die noch ungelesen hier liegt) die Autobiographie des Autors aushändigte. Hitchens wurde 1949 in England geboren, seine Mutter war Jüdin (von diesen jüdischen Wurzeln erfuhr er erst nach dem Tode seines Vaters im Alter von 40 Jahren, seine Mutter hatte etwa 15 Jahre zuvor Selbstmord begangen), sein Vater ein Soldat der englischen Navy. Entsprechend seinem Geburtsjahr fühlte er sich der 68er-Generation verbunden, interessierte (und begeisterte) sich für den Marxismus und war schon früh als Journalist tätig. Dieser erste Teil wirkte auf mich ein wenig langatmig, hier wird viel Name-Dropping betrieben, bestenfalls gewinnt man einen – etwas schwammigen – Eindruck der Zeit des Vietnamkrieges, des sukzessiven Untergangs des Labour-Partei (der dann den Aufstieg von M. Thatcher ermöglichte) bzw. eines Menschen, den es nach Abenteuern aller Art gelüstet. Und auch hier wird spürbar, dass Hitchens kein wirklich konsequenter Denker ist, dass Genauigkeit, Logik, Stringenz nicht seine Stärke sind (weshalb die meisten Philosophen, die er zitiert, aus der Frankfurter Schule stammen).

Interessanter ist sein langsamer Wandel vom marxistischen Linken hin zur politischen Mitte (manche haben ihn – vor allem wegen seines Einsatzes für den Irakkrieg auch als Rechten bezeichnet), der allerdings auch kein wirkliches Novum darstellt (der Paradefall eines solcherart gewandelten Politikers wäre Otto Schily). Doch auch diese Metamorphose ist von Inkonsistenzen begleitet, von einer eigentümlichen Schludrigkeit der Gedanken, die sich in seiner Befürwortung des Irakkrieges widerspiegeln. Denn selbstredend hat Hitchens mit seiner Kritik an Saddam Hussein Recht, der ein Sadist und Massenmörder war und dessen Absetzung man zu bedauern keine Gründe hat. Allerdings ist derlei (wie im Irak gesehen) zumeist etwas kurzsichtig, weil man sich der Konsequenzen eines Umsturzes (die häufig noch Schlimmeres anzurichten in der Lage sind – wie etwa auch in Lybien zu sehen) nicht wirklich bewusst ist als auch die Heuchelei und Doppelzüngigkeit solcher Einsätze angesichts der mit den USA befreundeten Diktaturen (Saudiarabien als bestes Beispiel) ausblendet. Deshalb fallen Hitchens Argumente für diesen Krieg auch banal aus: Saddam Hussein hätte zwar keine Massenvernichtungswaffen besessen (er spricht dies allerdings noch nicht mal dezidiert aus), aber danach gestrebt (was durchaus richtig sein kann, aber für derartige Staaten keine Besonderheit darstellt: Die Weltgemeinschaft kann sich demgegenüber immer nur bemühen, das Erreichen eines solchen Zieles den Betreffenden so schwer als möglich zu machen) – und er sei eben ein grausamer Tyrann gewesen. Wären dies allerdings die tatsächlichen Gründe gewesen, so hätten die USA auch bei so manchen befreundeten Staaten im Nahen Osten einmarschieren müssen und wären auch gezwungen, ihre Politik in den mittel- und südamerikanischen Ländern in den letzten Jahrzehnten zu überdenken und dafür Abbitte zu leisten. Denn der Irakkrieg war einzig der Versuch, seinen Einfluss in der ölreichen Region zu sichern, nachdem der unbotmäßige Diktator (und ehemalige Verbündete) seine eigenen (durchaus mörderischen) Ziele zu verfolgen begonnen hatte.

Trotzdem hat Hitchens in seiner Kritik gegenüber “linken” Intellektuellen (wie Noam Chomsky) auch Recht: Man kann die Terroranschläge von 9/11 nicht rechtfertigen (man kann sie erklären, ihre Ursachen analysieren und die us-amerikanische Politik verurteilen, die zu einer Radikalisierung beitrugen, gerade weil sie nicht von moralischen, sondern pragmatischen Erwägungen bestimmt wurde) und es fällt auch schwer, vernünftige Alternativen zum Nato-Einsatz in Ex-Jugoslawien zu finden (radikal pazifistische Einstellungen werden immer dort problematisch, wo sich eine Partei über ganz grundsätzliche, moralische Bedenken hinwegsetzt, wie dies auch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg taten). In solchen Situationen befindet man sich stets in einem Dilemma und man muss zwischen schlechten, in jedem Fall mit Opfern verbundenen Lösungen wählen. In jedem Fall aber erscheint es blauäugig, militärische Maßnahmen grundsätzlich auszuschließen. (Das Problem liegt im Grunde ganz wo anders, nämlich in der erwähnten Heuchelei solcher Staaten: Die ihr Eingreifen eben nicht von moralischen, sondern von machtpolitischen Überlegungen abhängig machen und dadurch nicht mehr den Anspruch erheben dürfen, aus Gründen der Menschlichkeit eingegriffen zu haben.)

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Hitchens war sich der Problematik des Einsatzes im Irak (wenigstens teilweise) durchaus bewusst und er hat sowohl CIA als auch State Department hart kritisiert. Nichtsdestotrotz bleibt der grundsätzliche Eindruck, dass alle seinen mit Verve vorgetragenen Meinungen etwas Inkonsistentes, ja fast Beliebiges anhaftet. Vielleicht liegen dem seine im Buch beschriebenen Schwierigkeiten mit mathematischen und logischen Themen zugrunde, die er unumwunden eingesteht; die Art, wie er seine marxistischen Einstellung beschreibt (die in der Jugend häufig aus einer Form des Altruismus geboren wird, aus dem Wunsch nach Gerechtigkeit und deren utopischer Charakter (nebst der Tendenz, aufgrund der vermeintlichen Wahrheit dieser Philosophie zu autokratischen Strukturen) vielen erst im Laufe der Zeit bewusst wird) lässt – wie schon erwähnt – vermuten, dass folgerichtiges Denken seine Stärke nicht gewesen ist. – Trotzdem ein großteils interessant zu lesendes, zeitgeschichtliches Dokument, dass seinen Wert nicht aus den vertretenen Meinungen bezieht, sondern als eine Quelle zu den historischen Ereignissen gelesen werden sollte.


Christopher Hitchens: The Hitch. München: Karl Blessing 2010.

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