Madeleine Böhme, Rüdiger Braun, Florian Breier: Wie wir Menschen wurden

Auf dieses Buch war ich ausnehmend gespannt, erwartete ich mir doch eine detaillierte Vorstellung des Danuvius guggenmosi, eines offenbar sich auf zwei Beinen fortbewegenden Frühaffen, der einiges an der Entstehungsgeschichte des Menschen verändern könnte. Ein wirklich großes Leseerlebnis wurde es allerdings nicht, vielmehr eine ein wenig parteiisch anmutende Darstellung gegen das Konzept „Out of Africa“.

Böhme hat das Buch mit zwei Journalisten verfasst und ist wahrscheinlich nur mittelbar verantwortlich für ein Unding in der Gestaltung solcher Bücher: Wenn da jemand meint aus Gründen der Anschaulichkeit in eine romanhafte Erzählung verfallen zu müssen, eine Erzählung, die über die Qualität eines Schulaufsatzes in der Unterstufe (Mein schönstes Ferienerlebnis) nicht hinauskommt. Beginnend mit „Es ist ein erstaunlich heißer Herbstmorgen.“ bekommt der Leser einen Erlebnisaufsatz unterster Schublade vorgesetzt (garniert noch mit 25 Fußnoten, weil der interessierte Beobachter alle möglichen Tiere des Miozäns erblickt). Mich hat schon als Kind dieser anbiedernde Form der Wissensvermittlung gestört, was da anschaulich sein sollte, war einfach nur peinlich und zum Fremdschämen. Die drei Abschnitte in diesem Buch sind Beispiele vom Allerschlimmsten, ich kann nicht ansatzweise verstehen, wie man zu glauben vermag, dass auch nur irgendein interessierter Leser an diesem unbedarften Geschreibsel seine Freude hat.

Die Vorstellung des erwähnten Danuvius ist eingebettet in die von Böhme vertretene Auffassung, dass die Wiege der Menschheit wahrscheinlich nicht in Afrika liege. Das mag angehen und solche Streitigkeiten werden in der Paläontologie oder Anthropologie mit der Heftigkeit von Glaubenskämpfen ausgetragen (wie ich aus berufenem, verwandten Munde immer wieder hörte), aber die ganze Darstellung vermittelt einen impliziten missionarischen Eifer, der mir suspekt ist. Ich kann diesen Streit nicht entscheiden, nur anhand der Plausibilität der Argumente für mich Schlüsse ziehen. Wenn aber unterschwellig immer der Eindruck erweckt wird, dass sich fast die ganze Wissenschaftsgemeinschaft gegen jemanden verschworen habe, um die Wahrheit zu unterdrücken (tatsächlich sind es immer Eitelkeiten, die entsprechende Haltungen zeitigen), dann ist dies für mich ein Argument gegen die betreffende Ansicht. Ich muss aber darauf hinweisen, dass ich in dieser Hinsicht möglicherweise übersensibel bin. Vielleicht empfinden andere Leser diesen Tonfall nicht oder weniger stark, mir war jedenfalls nicht wohl dabei.

Aber Danuvius soll nicht zu kurz kommen: Tatsächlich ist der Fund eines auf zwei Beinen gehenden Frühaffen in Südwestdeutschland ein revolutionärer Fund, da man die bipede Fortbewegung bislang erst mit den Australopithecinen beginnen ließ. Und das könnte – in Einklang mit Funden in Griechenland und Bulgarien – tatsächlich bedeuten, dass die Entwicklungsgeschichte neu geschrieben werden muss, dass man nicht unbedingt von einem gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse vor rund 7 Millionen Jahren ausgehen muss (explizit wird diese Ansicht im Buch nicht in Frage gestellt), sondern dass es ganz andere Entwicklungslinien gegeben haben könnte, die von Europa ihren Ausgang nahmen. Zur Unterstützung dieser Ansicht dienen Böhme auch Homo floresiensis und Homo luzonensis, die aufgrund neuer Datierungen die übliche „Out of Africa“-Theorie in Frage stellen. Dazu kommt anthropologisches Grundwissen (Bipedität und ihre Bedeutung, Werkzeugerstellung, Verwendung des Feuers, die anatomischen Veränderung von Händen und Füßen oder die verschiedenen Verfahren zur Datierung von Funden), das gut nachvollziehbar präsentiert wird.

Die Auseinandersetzungen über die Abstammungslinien der Menschen sind auf weitere Funde angewiesen, auf noch bessere Datierungsmethoden, aber auch auf größtmögliche Objektivität. Es mag durchaus sein, dass man erwiesen geglaubte Erkenntnisse (wie „out of Africa“) in Frage stellen kann, vielleicht muss. Dazu aber sollten auch und vor allem die Argumente der Gegenseite berücksichtigt werden, während ich beim Lesen dieses Buches den Eindruck hatte, dass derlei dann unterschlagen wurde, wenn dies ohne größeren Verlust der wissenschaftlichen Objektivität möglich war. Ganz kann ich das nicht nachvollziehen: Natürlich möchte jemand gerne seine Theorie bestätigt sehen, einen bedeutenden Fund machen. Entscheidend aber muss der Fortschritt für die Wissenschaftsdisziplin sein – und nicht persönliche Eitelkeiten. Nochmal: Vielleicht ist mein Empfinden idosynkratisch, mir wurde aber in diesem Buch zu sehr Wert darauf gelegt, dass der Vormensch unbedingt europäische Wurzeln haben müsse.


Madeleine Böhme, Rüdiger Braun, Florian Breier: Wie wir Menschen wurden. München: Heyne 2019.

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