Brian O’Nolan (oder auf irisch Brian Ó Nualláin) veröffentlichte diesen kurzen Roman 1961 unter dem Pseudonym Flann O’Brien, das er für seine Romane immer verwendete. Es war O’Nolan-O’Briens dritter Roman, der das Licht der Öffentlichkeit erblickte (The Third Policeman war zwar schon 1939 entstanden, wurde aber erst nach dem Tod des Autors, 1967, publiziert), und er war ein sofortiger Erfolg. Nach 48 Stunden war die erste Auflage ausverkauft. Im deutschen Sprachraum wurde er weniger bekannt, obwohl ihn immerhin einmal Annemarie und Heinrich Böll, das zweite Mal Harry Rowohlt übersetzt hatten.
Auch im englischsprachigen Raum ist aber, will mir scheinen, der Ruhm von The Hard Life unterdessen so ziemlich verblasst. Heutige Kritikerinnen gehen so weit, zu behaupten, dass der Roman wohl schon gar nicht mehr neu aufgelegt würde, stünde da nicht der Autorenname ‚Flann O’Brien‘ auf dem Titelblatt. Andere, frühere, haben den Roman mit Werken von James Joyce verglichen und moderne oder gar postmoderne Züge darin finden wollen. Zu letzteren gehören Namen wie Burgess oder Greene (dem The Hard Life gewidmet ist). So leid es mir tut, so sehr ich The Third Policeman in seiner komischen Absurdität bewundere: Ich fürchte, was diesen Roman betrifft, haben die großen Namen Un- und die heutigen Kritikerinnen Recht.
Der Roman erzählt in der Ich-Form aus den frühen Jahren im Leben der beiden Vollwaisen Manus und Finbarr. Als erstes erzählt uns der Ich-Erzähler und jüngere der beiden Brüder, Finbarr, vom Verschwinden seiner Mummy, seiner Mutter. Man muss sich als Leser:in selber zusammen reimen, dass sie gestorben ist und offenbar der Vater schon ein paar Jahre vorher. Finbarr war zu jenem Zeitpunkt etwa fünf Jahre alt und er erzählt, was wie er es damals wusste, nicht, wie er es als Erwachsener später gewusst haben muss. Diese Erzählhaltung zieht sich durch den Rest des Romans, und sie ist so ziemlich das beste, was der Roman aufzuweisen hat. Die beiden Jungs kommen nach Dublin in die Obhut des Halbbruders ihrer Mutter, den Finbarr dann konsequenterweise seinen ‚Halbonkel‘ nennt. Manus ist fünf Jahre älter als Finbarr und entwächst im Laufe des Romans der Aufsicht von Mr Collopy (so der Name des ‚Halbonkels‘ – seinen Vornamen erfahren wir erst ganz am Ende des Romans). Schön früh zeigt Manus eine Gerissenheit und Geschäftstüchtigkeit, die ihn nach London führen wird, wo er eine Fernuniversität eröffnet, die in schriftlichen Kursen so ungefähr jedes Thema zu lehren verspricht, das man sich vorstellen kann. Den Inhalt der Kurse schreibt Manus aus entsprechenden Nachschlagewerken ab, die er in den großen Bibliotheken von erst Dublin, dann London, konsultiert. Finbarr hingegen, der Jüngere, bleibt Zuschauer. Er geht auch bis zum Schluss des Romans zur Schule, was eine nicht unbeträchtliche Unstimmigkeit im Ablauf der Zeit hervorruft. Die geschilderten Ereignisse müssen so ihre 15 bis 20 Jahre in Anspruch genommen haben, auch wenn äußerlich, außer dem Tod der Lebenspartnerin (der zweiten Frau? – Finbarr und Manus habe die genauen Verhältnisse nie herausgefunden) von Mr Collopy, wenig geschieht. Auch geht Finbarr zum Schluss ganz selbstverständlich in ein Pub – was einem Schüler nie gestattet worden wäre. (Andererseits trinkt er dort im Normalfall nur Stout, im Gegensatz zu seinem Bruder, der sich schon früh das Inhalieren auch von hochprozentigen Spirituosen wie Malt oder Gin angewöhnt hat.)
Die vorkommenden Figuren sind mehr oder minder skurril – wie man sie von Flann O’Brien eben erwartet. Der Halbonkel allen voran, der offenbar Rentner ist und nun in seiner freien Zeit – deren er viel zur Verfügung hat – ein Komitee betreibt, das ein (politisches) Ziel verfolgt, welches die beiden Brüder erst am Schluss des Romans aus seinem Testament erfahren: den Bau von öffentlichen Bedürfnisanstalten in Dublin. Zu Lebzeiten hat der etwas verklemmte Mann offenbar solche Begriffe nicht zu erwähnen gewagt. Dieser Halbonkel verbringt seine Abende oft zu Hause in Gesellschaft eines deutschen Jesuiten, der Jürgen Fahrt heißt und dementsprechend als Father Fahrt angesprochen wird – ein skatologischer Witz, der dann leider auch schon das lustigste ist, was der Roman in komischer Hinsicht zu bieten hat. Die beiden diskutieren über Gott und die Welt, Theologie und Kirchengeschichte ebenso wie irische Politik – aber immer nur in Andeutungen. In diesen Diskussionen – die die beiden Jungs mitanhören müssen, weil sie ihre Hausaufgaben in derselben guten Stube machen müssen, in der die beiden sitzen und im Laufe des Abends gemütlich einen großen Krug Whiskey und eine Menge Tabak in Form von Zigarren und Pfeifenrauch vernichten – in diesen Diskussionen also unterlaufen dabei selbst dem Jesuiten blamable Fehler in der Zuordnung von Sterbedaten bekannter Religionsmänner oder Namen päpstlicher Bullen, die die beiden Jungs dann, ein wenig vorlaut, korrigieren. Eine Reise nach Rom, die der unternehmungslustige Manus seinem ‚Halbonkel‘ und dem Jesuiten ermöglicht, endet damit, dass sie vom Papst aus einer Privataudienz geworfen werden, weil Mr Collopy offenbar den Heiligen Vater um Beistand ersucht hat bei seinen Plänen, Dublin mit einem Netz von öffentliche Bedürfnisanstalten zu überziehen.
Es finden sich auch mehr oder weniger klare, mehr oder weniger satirische Anspielungen auf die Unterdrückung der katholischen Iren durch ihre protestantischen Landsleute und durch die anglikanischen Engländer; aber Brian O’Nolan scheint sich über diese Bemühungen eher lustig zu machen, als ihnen einen Wert zuzugestehen. Wenn ganz am Schluss der Geschichte Finbarr, nach einem Abschiedstrunk mit seinem Bruder Manus, der zurück zu seinem Business in London fährt, auf die Toilette des Pub rennt, um sich zu übergeben, so kann das sein, weil ihn die kaltherzige Geschäftstüchtigkeit seines Bruder anekelt. Es kann aber auch sein, dass es nur der Umstand ist, dass er zum ersten Mal – wie es sein Bruder tat – sein Glas Malt (das er ausnahmsweise trinkt) in einem Zug geleert hat.
Alles in allem muss man sagen, dass Flann O’Brien / Brian O’Nolan in diesem seinem letzten Roman nicht die komische, satirische oder auch nur strukturelle Qualität bieten kann, wie in seinen vorhergehenden. Allerdings muss auch gesagt sein, dass so mancher berühmte Autor auf einen Roman wie The Hard Life stolz sein könnte und man ihn bei anderen Autoren zu deren Spitzenwerk zählen würde.