Wenn es galt, rauschende Feste zu feiern, war – zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – der russische Adel führend. Vor allem bei Auslandsaufenthalten, und da wiederum vor allem in Frankreich, und Frankreich meinte für den Russen damals ganz einfach Paris, ließ er sich nicht lumpen. Nacht um Nacht tanzte und trank man bis in den frühen Morgen. Alexandre Dumas seinerseits war ebenfalls bekannt für seine großen und perfekt choreografierten Feste. So war es nur eine Frage der Zeit, bis er in Paris zu den großen Festen des russischen Grafen Kuschelew eingeladen wurde.
Dumas‘ zweite Passion neben Feiern (d.i.: Essen und trinken) war das Reisen. Als ihn nun Kuschelew einlud, mit ihm zusammen nach Russland zu fahren, musste Dumas es sich nicht lange überlegen. Russland stand sowieso noch auf seiner Liste der zu bereisenden Länder, und die einzige Bedingung, die er stellte, war, dass er nicht nur den Grafen nach Sankt Petersburg begleiten würde, sondern über Moskau die Wolga hinunter bis ans Kaspische Meer und von dort weiter Richtung Süden über den Kaukasus, das Schwarze Meer und das Mittelmeer zurück kehren würde. Dem Grafen war es recht; er wollte sogar ein Stück weit mit ihm reisen, denn auf Dumas‘ Weg lagen einige seiner Besitzungen, die er schon lange nicht mehr (wenn überhaupt je) besucht hatte. Also bot er dem Franzosen seine Begleitung an. Dumas schlug ein. So sind wir zum vorliegenden Reisebericht gekommen, dessen Titel sich ganz einfach daraus erklärt, dass die deutsche Übersetzung in zwei Bänden erschienen ist, und die deutschen Herausgeber die Zäsur in etwa beim Übergang Dumas‘ vom europäischen in den asiatischen Teil des Russischen Reichs machten.
Leider (aus heutiger Sicht) ist dem französischen Autor seine Leidenschaft für den historischen Roman – mit dem er bekanntlich riesige Erfolge gefeiert hatte – in die Quere gekommen. Ungefähr die Hälfte des Textes erzählt nicht über Land und Leute, wie sie Dumas 1860 kennen gelernt hatte, sondern erzählt Geschichte und Geschichten – teils von Leuten, die er unterwegs getroffen hatte (was also noch verständlich wäre), teils aber auch von historischen Gestalten wie dem Zaren Peter I., dessen Laufbahn er schon gleich zu Beginn ausführlichst vor sein Publikum stellt. Zu seiner Zeit hatte Dumas ganz eindeutig mit dieser Kompositionstechnik großen Erfolg. Heute finden wir es schade, weil wir so zu wenig über das Russland seiner eigenen Zeit erfahren.
Dabei hätte Dumas einiges von dieser Reise zu erzählen. Und er erzählt ja auch einiges, so ist es nicht. Während es im europäischen Teil der Fahrt vor allem die großen Feste der Russen sind, deren immense Besitzungen (über die sie selber nur höchst ungenau Bescheid wissen) und deren ebenso riesige Trinkfestigkeit, wird es im zweiten, dem asiatischen Teil sogar abenteuerlich und spannend. Denn noch waren die asiatischen Teile des Russischen Reichs mehr nominell als faktisch wirklicher Teil des Reichs. Rebellen machten vor allem die Grenzregionen zum Türkischen Reich unsicher, und mehr als einmal musste Dumas mit der Flinte in der Hand sein Leben verteidigen. Darüber, ob dieser Guerilla-Freiheitskampf gerechtfertigt sein könnte oder nicht, machte es sich allerdings keine Gedanken. Auch bei Aussagen über die Leibeigenschaft hält er sich zurück; er beklagt zwar das Los der armen Kerle, profitiert aber andererseits sehr, sehr oft davon. Ja, er steckt sich einen seiner Orden ans Revers und erreicht so, dass man ihn auf dem Land für einen General hält, der überall den bestmöglichen Service und die besten Pferde erhält.
Die russische Küche hingegen mag Dumas gar nicht. Für ihn gibt es nur eine in jedem Sinn gescheite Küche, und das ist die französische. In seiner Verzweiflung geht Dumas sogar so weit, selber zu kochen bzw. zu braten, weil sie an den verschiedenen kleinen Poststationen im Kaukasus ansonsten nichts Richtiges zu essen erhalten würden. Und er rühmt sich, ein ebenso guter Koch zu sein wie Schriftsteller oder Jäger. Einmal rückt er sogar ein Rezept in seinen Bericht ein.
Andererseits schildert er auch, wie die Kosaken seiner Bedeckung in den Kämpfen mit den Rebellen auch schon mal einen Schädel spalten (von abgeschnittenen Ohren und Händen als Trophäen wollen wir gar nicht reden) – in seinem kriegerischen Eifer geht er sogar extra kurz der „Schlacht“ den Schauplatz eines solchen Scharmützels besichtigen, um die Toten zu sehen. Ein anderes Mal bleibt seine Kutsche im Tiefschnee stecken und er läuft tatsächlich Gefahr, draußen zu erfrieren. Man sieht: Er hätte durchaus genug zu erzählen gehabt, auch ohne sich mit den mehr oder minder frivolen Liebeshändeln eines Peter I. oder einer Katharina beschäftigen zu müssen.
Fazit: Neben spannenden Geschichten aus dem Wilden Osten (wo Dumas in der Realität und in einem Jahr ungefähr gleich viel erlebte wie später Kara Ben Nemsi im selben Zeitraum, aber in der Fiktion) finden wir in diesem Reisebericht viel aus heutiger Sicht Überflüssiges. Wie in seinen Romanen auch neigt Dumas halt leider zur Schwatzhaftigkeit.