E. T. A. Hoffmann: Der Kampf der Sänger

Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Cover um eine Fotografie eines Halblederbandes. Links finden wir in braun, mit der für Leder typischen Narben-Struktur, einen Streifen. Der Rest ist auf rotem Hintergrund, der einen Leineneinband darstellen soll. Links ist in Pseudo-Goldprägung noch etwas jugendstilartiges Blattwerk zu finden; ein bisschen rechts von der Mitte, zwischen zwei goldenen Rahmen, der ebenfalls goldene Schriftzug "E • T • A HOFFMANN". Was erlesen wirkt, ist in Wirklichkeit einfacher Farbdruck auf Glanzpapier. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Richard Wagner hat diese Novelle aus dem zweiten Band, dritter Abschnitt, der Serapionsbrüder (mit) zum Vorwurf seiner Oper Tannhäuser genommen. Sie ist trotz, oder gerade wegen ihres Settings im Mittelalter, zutiefst romantisch. Hoffmann transponiert das hochmittelalterliche Minnesänger-Wesen (Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach, zwei der Protagonisten der Erzählung, gehören zu den bekanntesten mittelhochdeutschen Dichtern) zunächst ins spätmittelalterliche Meistersänger-Wesen. Zugleich unterlegt er zumindest den beiden Hauptfiguren, Wolfram von Eschenbach und Heinrich von Ofterdingen, Gefühle (nämlich: Liebesgefühle), wie sie im Grunde genommen erst die Romantik kannte. Er, bzw. Cyprian, der Serapionsbruder, als dessen Werk die Novelle in der Fiktion der Rahmenhandlung gilt, gibt als Entschuldigung für das unhistorische Verhalten seiner Figuren an, dass er sich einerseits ja an einer alten Chronik des Johann Christoph Wagenseil orientiert habe, andererseits, wie er gleich in der Einleitung zur Erzählung meint, dass er keine antiquarische kritische Abhandlung jenes berühmten Kriegs von der Wartburg habe schreiben wollen.

Was demzufolge vor uns haben, ist eine Künstlernovelle, in der zwei Arten des Künstlertums vor uns gestellt werden. Da ist die göttlich inspirierte, reine Kunst und Liebe des unverfälschten Schweizers(!) Wolfram von Eschenbach. Und da ist die von schwarzen Künsten beeinflusste, weltlich-sinnliche, für die Klingsohr steht und mehr noch sein Schüler Heinrich von Ofterdingen, am meisten aber jene Gestalt, die sich eines Nachts bei Wolfram von Eschenbach zu einem privaten Sängerkrieg einstellt und die sich Nisias nennt. Wenn diese Gestalt nicht der Teufel ist, muss es sich bei ihm um seinen jüngeren Bruder handeln. Doch Wolfram besteht die Probe glänzend und der Teufel muss abfahren. Schon vorher hat Wolfram den Schwarzkünstler Klingsohr in einem ebenfalls privat gehaltenen Gesangs-Duell besiegt. Der eigentliche Sängerkrieg auf der Wartburg ist somit im Grunde genommen der dritte. Dieser Kampf wurde vom Markgrafen einberufen, um Heinrich von Ofterdingen für sein unverschämtes Betragen am Hof zu bestrafen, denn der Markgraf ist felsenfest davon überzeugt, dass jeder seiner fünf übrigen Sänger dem Ofterdingen haushoch überlegen ist. Es kommt, wie es kommen muss – auch im dritten Duell mit den schwarzen Künsten obsiegt die reine Kunst Wolframs. Der Gegner aber, Ofterdingen, löst sich in Rauch auf, als er für seine Hybris bestraft werden soll. Einmal mehr hat also Wolfram von Eschenbach den Bösen direkt besiegt. Er gewinnt damit nicht nur den Kampf der Sänger, sondern auch das Herz der schönen Dame Mathilde.

Von Ofterdingen aber, dem wirklichen Ofterdingen, erhält er wenig später einen Brief, in dem dieser ihm schreibt, dass er sich aus den Verstrickungen des Bösen habe lösen können.

Es folgt noch die für die Serapionsbrüder übliche Schlusskritik der anderen Mitglieder dieses modernen Sängerbunds. Theodor (der wohl Hoffmann selber darstellt) kritisiert, dass Cyprian (= Adelbert von Chamisso) mit seinem innerlich zerrissenen Ofterdingen die lautere Gestalt zerstöre, die ihm gerade von Novalis verliehen worden sei. Ein anderer Bruder, Lothar (d.i. de la Motte Fouqué), lobt immerhin, dass der Erzähler der Versuchung widerstanden habe, die Gesänge der Meister wiederzugeben, was nur in einem poetischen Desaster hätte enden können.

Fazit: Hoffmann hielt diese Novelle für eine seiner dunkleren. Tatsächlich ist das Bild des innerlich zerrissenen Künstlers eines, das länger im Gedächtnis des Publikums haften bleibt (und geblieben ist), als das des reinen aus einen lauteren Ich unverstört schöpfenden. Auch wenn der Namen Ofterdingen selber wohl eher mit Novalis assoziiert wird.

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